Wir müssen die Ängste nehmen

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GASTKOMMENTAR
Klaus Atzwanger

Klaus Atzwanger

Wer Angst vor dem Keller hat, setzt sich eine Stirnlampe auf

von Univ. Lekt. Mag. Dr. Klaus Atzwanger

über Ängste und deren Bewältigung

Die BP-Wahl ist geschlagen und hat zu einem extrem knappen Ergebnis geführt. Aber unabhängig vom Sieger, Angst wurde bei Nachwahlbefragungen häufig als Wahlmotiv genannt, die Wahl war auch ein Erfolg jener, die Ängste schürten. Angst vor Veränderung, Angst vor dem Fremden, Angst vor der Zukunft.

Auch in Diskussionen mit intellektuellen Bürgerlichen hörte man vor der Wahl "ich will keine Angst haben müssen" als zentrales Motiv, sich diesmal für den Kandidaten der rechtspopulistischen Partei zu entscheiden, ungeachtet u.a. deren EU-feindlichen Positionen sowie deren offensichtlichem Spiel mit rechtsextremen Symbolen wie z.B. der blauen Kornblume bei offiziellen Gelegenheiten.

Die übliche Antwort zur Auflösung dieser Ängste ist der Vorschlag "Ängste ernst zu nehmen" und sie damit sozusagen als berechtigt zu bewerten. Doch stimmt das? Muss man wirklich jede Angst ernst nehmen?

Angst ist eine evolutionär entstandene, im Rahmen der Evolution sinnvolle Emotion, um mit neuen Herausforderungen behutsam umzugehen. Dies war im Rahmen der Menschwerdung wahrscheinlich irgendwann von Vorteil, Angst ist aber heute häufig weder sinnvoll, noch immer passend und vor allem nicht zur Lösung von Problemen des Zusammenlebens hilfreich.

Im Alltagsleben haben wir uns eine Vielzahl von Hilfestellungen geschaffen, um irrationale Ängste zu nehmen, sie rational zu entschärfen. Wer Angst vor dem Keller hat, setzt sich eine Stirnlampe auf, um in den hintersten Winkel zu sehen, und baut nicht ein zweites Schloss in die Kellertüre. Wer Angst vor Spinnen hat, sieht sich Spinnendokumentationen an, um die Ungefährlichkeit zu verstehen, oder lässt, wie Phobieexperten empfehlen, eine Spinne über die Hand laufen.

Positive Emotionen

Wenn wir in ländlichen Gegenden, die weder mit einer Vielzahl an Fremden konfrontiert werden, noch offen sichtbare Drogenprobleme haben, merken, dass die Menschen angstvoll einen Rechtspopulisten wählen, weil er verspricht, dass alles so bleibt, wie es immer war (ohne zu sagen, wie er das bewerkstelligen würde und was Stillstand wirtschaftlich bedeuten würde), dann müssen wir ihre Ängste nicht ernst nehmen, sondern diese Ängste nehmen. Wir müssen sie mit mehr Information und mehr Erlebnissen an Veränderungen heranführen. Sei es durch Bildungsprojekte, durch Kunstprojekte, sei es durch andere Erfahrungen mit Neuem und Unbekanntem. Alles zum Ziel der Aufklärung und der individuellen Erkenntnisvergrößerung.

Erlebnisse, die bewegen und positive Emotionen wecken, können Angst nehmen. Und auch das Erleben jener gelungenen Migration, die in weiten Teilen von Großstädten auch erfolgreich stattfindet, auch wenn die mediale Aufmerksamkeit lieber die misslungenen Einzelfälle betont, ist ein Weg Angst zu nehmen.

Da verantwortungsvolle Politiker sowie sensible Medien eine große Rolle dabei spielen, ob Menschen irrationale Ängste genommen werden, und über einen rationalen Umgang diese Ängste auflösen können, wird das Ergebnis der nächsten Wahlen auch davon abhängen, wie sich diese beiden Gruppen verhalten.

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