Wie bringen wir’s dem Kinde bei?

Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Den jüngeren Kindern darf nichts zwanghaft aufgedrängt werden – Feinfühligkeit ist gefragt

von Gabriele Kuhn

über Aufklärung als Erziehungsauftrag

"Deine Mama hat gefickt." Das als Mama aus dem Mund eines Kindergartenkindes zu hören, ist nicht fein, kommt aber vor. Mit vier Jahren finden die Kinder den Klang des Begriffes witzig, ohne sich dessen Bedeutung bewusst zu sein. Je öfter man als Elternteil da pfui schreit, desto interessanter wird’s. Also am besten: weghören, bis es wieder aufhört.

Wenige Jahre später ist vieles anders. In einer sexuell aufgeladenen Welt werden bereits Volksschulkinder mit explizit erotischen Inhalten konfrontiert. Zum (unfreiwilligen) Erstkontakt mit Pornografie kommt es schon mit neun, zehn Jahren – via Smartphone oder Internet. Daraus beziehen dann die jungen Menschen ein verzerrtes Bild von Liebe, Intimität und Sexualpraktiken, so als ob der Blowjob zum Repertoire erster sexueller Erfahrungen gehören müsse. Umso größer wird der Bedarf an einer Aufklärung, die den Gegebenheiten einer neuen Lebensrealität entspricht. Zu dieser Realität gehört eben auch, dass die heile Welt nicht mehr nur Papa-Mama-Hund/Katze-Kind-Ideale zu bieten hat. Alleine in Wien wird jede zweite Ehe geschieden. Es gibt Patchwork-Familien, Single-Kind-Konstellationen und natürlich auch gleichgeschlechtliche Paare. Das ist die sexuelle Vielfalt, aus der wir wählen (dürfen) – sie auszublenden oder gar zu verteufeln, wäre absurd.

Klar – sexuelle Aufklärung sollte dem Alter und den gestellten Fragen entsprechen. Den jüngeren Kindern darf nichts zwanghaft aufgedrängt werden – Feinfühligkeit ist gefragt. Aber, ehrlich: Nicht einmal Dreijährige wollen heute noch mit dem Märchen vom Storch abgespeist werden – das ist so dumm wie respektlos. Und auch das Argument, dass zu frühe Aufklärung frühreife Sexmonster produziere, ist Humbug. Dafür kann gesagt werden: Junge Menschen, die sich auskennen, wissen wenigstens, dass man ein Kondom nicht zwei Mal verwenden darf.Die "eine" ultimative Aufklärungsmethode gibt es vermutlich nicht. Aber ein paar Sachen stehen fest: Sie sollte die vorhandene Realität abbilden, ohne ideologisch gefärbte "So-muss-das-sein"-Klischees. Sie sollte den jungen Menschen ein gutes Körperbewusstsein sowie Selbstbestimmung näherbringen. Und Toleranz für andere Liebes- und Lebensformen.

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