Was ist eine rote Karte noch wert?
Beim Spitzenduell in der 22.Runde der Tipp3-Bundesliga traf Rapid Wien auf Red Bull Salzburg. In der 56.Minute sah Schiemer beim Stand von 0:0 die gelb-rote Karte, am Ende ging jedoch Red Bull Salzburg als Sieger vom Platz. Vor einigen Tagen spielte Manchester United auswärts gegen Aston Villa 1:1, wobei die Red Devils das Unentschieden über eine Stunde mit einem Mann weniger verteidigen mussten, nachdem Nani in der 29. Minute vom Platz flog. Trotz der Unterzahl hatten die Spieler von Alex Ferguson die besseren Chancen und waren einem Sieg näher als die Heimmannschaft. Natürlich lässt sich aus diesen beiden Spielen noch kein allgemeiner Trend herauslesen, denn dafür müsste man schon umfangreiche Daten über einen langen Zeitraum sammeln.
Daten und Fakten
Diese Arbeit nahmen mir zum Glück die Analysten von Castrol Football ab. Selbst wenn man die jüngeren Zahlen miteinander vergleicht, dann kann man feststellen, dass eine rote Karte ein immer kleiner werdender Nachteil ist. Zwischen 1992 und 2000 konnten in den fünf großen europäischen Ligen (England, Spanien, Italien, Deutschland, Frankreich) 11.8% aller Mannschaften eine Partie gewinnen, wenn ein Spieler der eigenen Mannschaft ausgeschlossen wurde und die Partie unentschieden stand. Nach 2000 konnten immerhin 13.4% der dezimierten Teams das Spielergebnis zu ihrem Positiven verändern. Auch die Prozentanzahl der Teams, die mit einem Mann weniger einen Rückstand aufholen konnten, ging ein wenig in die Höhe. Noch interessanter wird es jedoch, wenn man über einen größeren Zeitraum die Entwicklung bei Länderspielen betrachtet. Wenn man sich zum Beispiel die Statistiken bei Weltmeisterschaften ansieht, dann wird man feststellen, dass bis 1990 kein Team sein Resultat verbessern konnte, nachdem ein Spieler mit einer roten Karte vom Platz gestellt worden ist. 37 Mal kam so ein Fall bis 1990 vor und kein einziges Team konnte eine Niederlage in ein Unentschieden, oder ein Unentschieden in einen Sieg umwandeln. Kamerun war 1990 die erste Mannschaft, die dieses Kunststück zusammenbrachte. Sechs Minuten nachdem André Kana Biyik ausgeschlossen wurde, erzielte sein Bruder Francois Omam Biyik das Tor zum 1:0-Endstand. Nur einige Tage später gewann Österreich sein Gruppenspiel gegen die USA mit 2:1, nachdem beim Stand von 0:0 Peter Artner in der 32. Minute ausgeschlossen wurde. Insgesamt konnten 12 Mannschaften seit 1990 bei einem Weltmeisterschaftsspiel nach einem Ausschluss ihr Resultat verbessern!
Gründe für diesen Trend
Für diesen Trend sind mehrere Ursachen verantwortlich. Zunächst einmal muss man sich den Klassenunterschied der Mannschaften innerhalb einer Liga ansehen, der in den letzten Jahren immer größer geworden ist. Die Vereine, die Jahr für Jahr in der Champions League Millionen scheffeln, sind den Liga-Konkurrenten teilweise so weit voraus, dass sie selbst mit 10 Mann stärker sind, als ihr Gegner. Wenn ein Spieler des FC Barcelona in einem Heimmatch gegen Deportivo Xerez nach 10 Minuten wegen einer Unsportlichkeit die rote Karte sehen würde, dann würden die Buchmacher die Heimmannschaft wohl noch immer als Favoriten handeln und auch ich würde keinen Cent auf die Gäste setzen. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft im Fußball ist also sicher einer der Gründe für diese Entwicklung. Eine weitere Ursache sind die veränderten Systeme, mit denen die Mannschaften in der jüngeren Vergangenheit spielen. Bevor die Zonen-Verteidigung erfunden wurde hatte jeder Spieler seinen Mann und nach einem Ausschluss war es einfach eine Lücke zu finden. In den heutigen Fußball-Systemen ist es viel einfacher einen Ausschluss zu kompensieren. Dazu kommt noch, dass es heutzutage weit mehr rote Karten gibt als früher und die Trainer deshalb auch gezielt das Unterzahlspiel mit zehn Mann üben lassen. Nachdem 2006 Chelsea gegen West Ham mit 4:1 gewann, obwohl Maniche nach 17 Minuten vom Platz musste, sagte Mourinho, dass er in seinen Trainingseinheiten oftmals seine Spieler auf diese Situation vorbereitet. Zu guter Letzt kommt es aber auch vor, dass die Trainer und Spieler zu viel wollen. Der eigene Vorteil wird dann häufig überschätzt und ein Angriff auf Biegen und Brechen kann eine Überreaktion sein, die oftmals nach hinten losgeht. Alles in allem ist es natürlich weiterhin ein großer Vorteil wenn man in Überzahl auf dem Platz steht, aber dieser Mehrwert ist in den letzten Jahrzehnten kleiner geworden und wird wohl auch weiterhin eher schrumpfen.
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