Nach der nicht gerade staatstragenden Festlegung beim allerersten Auftritt (ohne Not bezeichnete Schallenberg die Ermittlungen gegen seinen Vorgänger als „falsch“) tappte der Diplomat auch bei seiner Kanzler-Premiere im Hohen Haus in mittelgroße Fettnäpfchen: Erst richtete er den Volksvertretern aus, sie sollten sich „mutwillige Aktionen“ wie Misstrauensanträge besser sparen; dann ließ er einen Stoß kopierter Justiz-Akten mit einem Handgriff zu Boden gleiten – Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger wollte ihn mit den Akten ärgern.
Es spricht für Schallenberg, dass er den Fehler erkannt und sich sofort entschuldigt hat – er habe nicht vermitteln wollen, dass er die unabhängige Justiz nicht respektiert.
Viel wichtiger als die fehlende Trittsicherheit des Regierungschefs ist derweil die Stimmung in der türkis-grünen Koalition. Und die ist, so viel war an diesem denkwürdigen Dienstag mehr als deutlich zu spüren, eher beklagenswert.
Ja, die Grünen haben der ÖVP offensichtlich mit aller Härte glaubhaft gemacht, dass sie Wahlgewinner Sebastian Kurz spätestens am Dienstag in die politische Wüste schicken wollten. Doch dieses „Foul“, wie es im ÖVP-Lager genannt wird, nimmt man dem Junior-Partner übel. Und zwar sehr übel.
„Ohne Kurz und seinen Wahlsieg gäbe es diese Regierung überhaupt nicht – und damit auch keine Regierungsbeteiligung von euch Ökos“, lautet sinngemäß die türkise Sicht auf die grüne Welt. Konsequenterweise applaudierte der ÖVP-Klub demonstrativ nicht, als Werner Kogler am Parlamentspult über das gemeinsam beschlossene Budget referierte.
Nun ist Dankbarkeit keine politische Kategorie. Vertrauen aber ist es.
Insofern stellt sich die Frage: Wie lange hält das Bündnis noch? Die paradoxe Antwort lautet: Möglicherweise länger, als es das nur in Spurenelementen vorhandene Vertrauen vermuten lässt.
Mitten in die Rede des neuen Kanzlers platzte am Dienstag die Meldung, dass eine der Protagonistinnen der Inseraten-Affäre verhaftet wurde. Plötzlich waren da sehr viele, sehr heikle Fragen: Wann folgen die nächsten Verhaftungen? Wird bald Anklage erhoben? Packt jemand aus? Ohne belastbare Antworten auf all das wäre ein Wahlkampf für die Kanzlerpartei ein Himmelfahrtskommando.
Die Koalition wird diesen denkwürdigen Dienstag also noch ein Zeiterl überstehen, die Devise lautet: Warten. Trotz oder gerade wegen der herrschenden Unsicherheit.
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