Programm statt Religion

Stefan Kaltenbrunner

Stefan Kaltenbrunner

Dass der neue Londoner Bürgermeister Muslim ist, sollte eigentlich keine Schlagzeile wert sein.

von Stefan Kaltenbrunner

über die Bürgermeisterwahl in London

"Muslim wird Londoner Bürgermeister", lauten heute weltweit die Schlagzeilen. Mit knapp 45 Prozent der Stimmen hat sich Sadiq Khan, Sohn eines pakistanischen Einwanderers, gegen seinen Kontrahenten Zac Goldsmith durchsetzen können. Der ist im übrigen Jude. Hätte Goldsmith die Wahl gewonnen, würde es wohl kaum eine Zeitung wagen die antisemitische Schlagzeile "Jude neuer Londoner Bürgermeister" auf das Titelblatt zu setzen. Ausgenommen vielleicht Andreas Mölzers rechtes Kampfblatt Zur Zeit.

Bei Muslimen gelten freilich immer noch andere Maßstäbe, werden medienethische Grundsätze gerne über Bord geworfen. Darüber mokierte sich während des Wahlkampfes auch der britische Guardian. Dort hieß es, dass sich außerhalb Englands niemand mit dem politischen Programm von Khan auseinandersetzt, sondern nur mit seiner Religionszugehörigkeit. Dabei wäre Khan auch nicht dadurch aufgefallen, dass er die Scharia propagiert oder ein Alkoholverbot in den englischen Pubs zu seinem Programm ausrief.

Den Londonern war das schlussendlich herzlich egal, Khan hatte für die Mehrheit einfach das bessere Konzept, Muslim hin oder her. Die immer stärker werdenden Rechten in Europa sehen das naturgemäß anders, senden die üblichen Botschaften wie "endgültiger Untergang des Abendlandes" und "schleichende muslimische Unterwanderung" aus. Von den Hasspostern in den sozialen Netzwerken ganz zu schweigen. Und Khan selbst? Er bezeichnete seine Wahl zum Bürgermeister als "starkes Signal" und London als "Leuchtfeuer für Toleranz und Respekt".

Vielleicht hilft die Wahl Khans, der immer stärker werdenden Islamophobie in Europa entgegen zu steuern und das Bild der Muslime wieder zurechtzurücken. Er hätte das Charisma, um jungen Muslimen zu zeigen, dass man es auch als Einwanderungskind bis ganz nach oben schaffen kann. Und vielleicht wird bei seiner möglichen Wiederwahl die Religionszugehörigkeit einfach ausgeblendet.

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