Von Beton kann man nicht abbeißen

Von Beton kann man nicht abbeißen
Angesichts der Corona-Krise ist neues Wirtschaftsdenken gefragt. Das eröffnet Chancen für Umwelt- und Klimaschutz.

Der Corona-Erreger führt weltweit (zumindest vorübergehend) zu Verhaltensänderungen und damit zu Emissionsreduktionen, zu denen freiwillig nur ein zu kleiner Teil der Bevölkerung bereit war. Wir erfahren gezwungenermaßen, auf wie viele Großveranstaltungen, Kreuzfahrten, Flugreisen, Pkw-Fahrten wir verzichten können und welche Chancen das für Umwelt- und Klimaschutz eröffnet.

Ein Beispiel dazu: ein Flug von Wien nach London und retour um 38 Euro – da stimmt etwas im System nicht. Wir brauchen daher neue rahmenpolitische Instrumente, die endlich die Kostenwahrheit bei den Verkehrswegen abbildet. Zum Beispiel eine Besteuerung von Kerosin,die Beseitigung des Wettbewerbsnachteils der Schiene gegenüber der Straße. Sonst werden uns die Kinder einmal fragen: Warum habt ihr uns die Erde in so einem Zustand hinterlassen?

Ernährungssicherheit

Die Coronakrise hat vielerorts zu leeren Regalen in den Supermärkten geführt. Das zeigt einerseits, dass es nicht selbstverständlich ist, Lebensmittel überall und sofort zu bekommen und andererseits, wie verletzbar man als Nationalstaat ist. Ernährungssicherheit kann man nicht importieren!

In der Landwirtschaft zeigt sich (noch) eine nationale Stärke. Trotz der kleinstrukturierten Voraussetzungen, oder gerade deswegen! Aber es wird schwerer: Zunehmende Wetterextreme wie Frost, Hagel, Dürre, Überschwemmung und zusätzlich schwindende Agrarflächen durch Verbauung gefährden die Produktion.

Von Beton kann man nicht abbeißen. Daher kämpfen wir weiter für den Erhalt der Böden als sogenannte „kritische Infrastruktur“, unser aller Lebensgrundlage!

Zudem brauchen wir eine differenzierte Bewertung der uneingeschränkten Globalisierung. Wir können die Globalisierung nicht nur rein ökonomisch sehen. „Grüne Kosten“ wie die Umwelt und das Klima müssen uns künftig in unserer bislang engstirnigen Kalkulation etwas wert sein. So dürfen wir uns in kritischen Lebensbereichen, wie bei lebensnotwendigen Medikamenten und bei Lebensmitteln von außen nicht völlig abhängig machen. Da darf es keinen Kompromiss geben.

Nachhaltige Chance

Aber auch bei der Energieversorgung müssen wir rascher unabhängiger werden und den Ausbau erneuerbarer Energieträger konsequent weiterverfolgen. Der Green Deal der EU eröffnet uns dazu eine nachhaltige Chance. Dieses neue Wirtschaftsdenken beurteilt den Wohlstand einer Volkswirtschaft nicht nur an der Kennzahl des Bruttoinlandsprodukts, sondern auch am Erhalt unseres Naturkapitals wie Boden, Luft oder Wasser.

In die Beurteilung miteinbezogen gehört auch die Messgröße Humankapital – wie geht es den Menschen bei der Weiterentwicklung der Wirtschaft. Wir werden nach der Krise dankbarer sein für vieles, was bisher selbstverständlich erschien. Vielleicht hinterlässt Corona uns aber auch ein Lächeln.

Ein Lächeln der Dankbarkeit und Vorfreude auf eine nachhaltigere Wirtschaftspolitik, in der auch das Naturkapital den Stellenwert erhält, den es verdient. Unsere Kinder und Kindeskinder werden es uns danken!

Zur Person: Kurt Weinberger ist Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung.

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