Virus-Radikalisierung

Es nervt. Kein Gasthaus, kein Theater, kein Sport (außer man ist Ski-privilegiert), keine Freunde treffen seit gefühlt ewig nervt. Das alles verlängert bis 8. Februar, und das ist nicht das Ende der Corona-Fahnenstange, nervt.
Ja, man hat es eh kommen sehen. Nicht, weil uns da vor Langem schon jemand einen harten Winter prophezeit hat (und uns die versprochene „Auferstehung“ aus dem Vorjahr immer noch schuldig ist). Sondern weil es viel zu viele gibt, die auf alle Warnungen gepfiffen haben und den anderen weiter fröhlich den Party-/Reise-/Geburtstagsfest-Stinkefinger zeigen, Motto: Ich krieg kein Corona, und wenn, passiert auch nix. Was damit allen passiert: der längere Lockdown.
Es nervt auch die ständige Diskussion über die missliche Lage, in der wir uns befinden, inklusive der vielen angelesenen Privatexpertisen.
Was aber am meisten nervt: Dass die Corona-Debatte zunehmend mit ideologischer und demagogischer Blindheit unterlegt wird.
Unter dem Titel „Zero Covid“ fordern linke Meinungsmacher in deutschen Medien unter Berufung auf Ärzte, Wissenschafter, Politiker ein totales Runterfahren von allem. Alles schließen, keine Wirtschaft, keine Produktion, Geld gebe es ohnehin genug – viel zu lange nämlich sei auf den Kapitalismus Rücksicht genommen und damit bei der Covid-Bekämpfung versagt worden.
Die Rechtspopulisten wieder singen ein Hoch auf die Corona-Sause und verdammen jede Corona-Maßnahme. Die Kickls & Co., die mit Sach- und Lösungskompetenz krachend gescheitert sind und im politischen Wahrnehmungsnirgendwo darben, suchen ihr Heil bei denen, die
die Virus-Realität verweigern. Ein paar Stimmen gibt’s da ja vielleicht wohlfeil.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die ganz Linken, selbsternannte Hüter der Freiheit und Selbstbestimmung, wollen alle Freiheit einschränken. Die ganz Rechten, sonst Law-and-order-Verfechter mit Kontrollfetisch, werfen sich für die Freiheit der Corona-Gegeißelten in die Schlacht. Merkt da irgendwer seine eigene Pervertierung? Verdrehte Ideologie (oder Notprogramm), aber genauso apodiktisch einzementiert.
Die Radikalisierung im gesellschaftlichen Diskurs, das Beglücktsein von der eigenen Meinung statt vom eigenen Wissen, das ideologisch unterfütterte Zudröhnen statt Zuhören, das mit verbaler Waffengewalt verteidigte Schwarz oder Weiß – das alles war schon vor Corona in zunehmendem Maße wahrnehmbar und hat genervt. Jetzt ist es unerträglich. Weil es das gesellschaftliche Miteinander vergiftet, das es so dringend bräuchte – Brunnenvergiftung in Viruszeiten sozusagen, eine ganz schlechte Idee.

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