Viel Geld statt schneller Sprüche

Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Wäre es Kurz um eine sinnvolle Lösung gegangen, hätte er seine Aussagen etwas anders gewählt.

von Dr. Helmut Brandstätter

über die Vorschläge von Sebastian Kurz.

In unserer aufgeregten Twitter-Boulevard-Welt, wo es um die schnelle Schlagzeile, die noch radikalere Formulierung und den vielleicht sogar erwünschten Shit-Storm geht, ist eine differenzierte Debatte kaum noch möglich. Das hat Kommunikationsprofi Sebastian Kurz natürlich gewusst, als er im Interview mit der Presse "Teile des australischen Modells als Vorbild" sah. Die australische Küstenwache bringt Bootsflüchtlinge nach ihrer Aufbringung in ihre Heimatländer zurück oder in Lager auf nahe gelegenen Inseln.

Wäre es Kurz um eine sinnvolle Lösung gegangen, hätte er seine Aussagen etwas anders gewählt. Die Ausgangslage ist ebenso klar wie bedrückend: In vielen afrikanischen Ländern verkaufen die Menschen ihr Hab und Gut, bezahlen Schlepper und begeben sich auf die gefährliche Überfahrt. Die Zahl wird in die Millionen gehen. Dazu kommen etwa Afghanen, die nicht mehr über die Balkanroute nach Europa kommen können. In beiden Fällen wird es nicht so leicht gelingen, Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückzubringen. Und Internierungslager auf Lesbos oder auf italienischen Inseln sind, mal abgesehen von der Frage der Menschenrechte, schnell überfüllt. Diese Afghanen und Afrikaner lesen auch keine Kurz-Interviews in der Presse, eine Abschreckungswirkung ist also nicht zu erwarten. Die Überzeugungskraft von Schleppern ist größer als die eines Ministers im fernen Europa. Auch der Kurz-Satz "Wer illegal versucht, nach Europa durchzukommen, soll seinen Asylanspruch in Europa verwirkt haben", klingt in vielen Ohren gut, ist aber wohl rechtsstaatlich nicht argumentierbar.

Es zeigt sich auch hier wieder einmal , dass das Problem nicht durch Ministerinterviews, sondern nur durch gemeinsames Handeln der Europäischen Union zu bewältigen sein wird. Wenn überhaupt. Der Chef der lybischen "Einheitsregierung", Fayezz Sarryj, hat sich sofort zu Wort gemeldet. Sein Land – soweit er das überhaupt kontrollieren kann – werde keine Flüchtlinge zurücknehmen. Das ist aber nichts anderes, als ein Hinweis darauf, dass er natürlich zu Verhandlungen bereit wäre, wenn nur der Preis stimmt. Also wird die EU mit ihm reden müssen. Und mit allen Staaten, von wo die Menschen gerade massenhaft auswandern. Das wird teuer, sehr teuer, das wird auch Waffengewalt in Bürgerkriegsländern erfordern, das wird kompliziert. Aber wer uns weismachen will, dass ein paar Drohungen, ein paar Inseln und hohe Zäune um Internierungslager das Flüchtlingsproblem lösen können, hilft niemandem, er tut sich und seiner Glaubwürdigkeit auch nichts Gutes. Die Frage bleibt, ob die EU endlich beginnt zu handeln und ob wenigstens hier alle Länder solidarisch sind.

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