Vernunft statt Hysterie

Vernunft statt Hysterie
Rezepte gegen Corona sind rar – Disziplin wäre eines, auf dass nicht alle Freude abgedreht werden muss
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Diese Woche ist Corona wirklich angekommen. Da mögen wir vor Todesfällen in jedem Bekanntenkreis und vor einem Meer-freien Sommer gewarnt worden sein, mit Maske im Auto oder im Homeoffice gesessen sein – geschenkt. Aber die Absage des Opernballs, da weiß der Österreicher dann: Jetzt ist’s ernst.

Da ist nur noch ein müder Treppenwitz, dass der Skination Nummer 1 (gibt’s noch andere?) der Skiwinter ins Wasser fällt – nicht wegen des Klimawandels, sondern weil a) das kollektive Besaufen après Ski für heuer abgesagt ist und b) die Deutschen und Holländer eh nicht kommen.

Letzteres mag den einen oder anderen freuen, aber das geht an der Realität vorbei, die da heißt: Die zweite Welle oder was immer das ist, das gerade passiert, ist nicht lustig. Die Corona-Fallzahlen steigen wieder dramatisch – Spanien, Frankreich, Großbritannien, Tschechien, fast überall, wo „gelockert“ wurde. Und wir wissen nicht wirklich, was das heißt.

Kommt die echte Pandemie erst auf uns zu, wie der nie um krause Erklärungen verlegene Virologe Christian Drosten warnt? Sind die Zahlen nur so hoch, weil ein Vielfaches getestet wird? Hatten wir also vor einem halben Jahr zehnmal so viel Fälle und wussten es nicht? Wird das Virus gefährlicher? Sind die sorglosen Jungen an der Verbreitung schuld? Oder müssen wir uns an die Präsenz des blöden Virus gewöhnen, mit ihm leben lernen, weil es mit strengsten „Maßnahmen“, diesem vermeintlichen Allzweckmittel, nicht besiegbar ist?

Drei Experten dazu, fünf Thesen – mindestens. Was wir wissen: Die Ungewissheit beflügelt die eigene Expertise. Beim Thema Maske oder Schule, Ausgehen oder Kontakte – es mag Regeln geben, aber die eigene ist immer noch die beste, nicht wahr?

Was wir noch wissen: Nicht Corona bringt die Gesellschaft um, das Runterfahren des Lebens tut es. Psychisch. Wirtschaftlich. Hotel Sacher, Casinos – tägliche schlagen Meldungen von Hunderten Kündigungen auf. Mag sein, dass sich das eine oder andere Unternehmen auch unter dem Titel Corona saniert, und die Kaufmannstugend „Reserven“ ist ohnehin von gestern. Aber angekommen ist Corona längst auch so.

Was tun? Vielleicht drei Eckpfeiler: Vernunft. Disziplin. Zuversicht statt  Hysterie. (Und vielleicht kann man das Wechseln von politischem Kleingeld auch noch weglassen). Wieso schafft Italien vergleichsweise verträgliche Corona-Zahlen? Mit dem Schock des März in den Knochen, und mit sympathischer Disziplin im Alltag, wie jeder Italien-Besucher  feststellen kann, statt mit Panik.  Kann man die Disziplin hierzulande bitte auch herstellen? Bei allen, bei den Älteren, bei den  Jungen und nicht nur bei türkischen  Hochzeiten!   Oder geht’s nur mit dem jetzt schon legendären Kanzlerwort „Alles was Freude macht, ist ein Ort der Ansteckung“? Weil: Ohne Freude geht Corona auch nicht weg. Aber wir gehen drauf.

Kommentare