Verfügt die SPÖ über Schwarmintelligenz?
Die Frage ist, ob es die SPÖ schafft, erst Inhalte zu diskutieren und erst dann die Personaldebatte zu führen.
Nach verlorener Wahl, nein nach der größten anzunehmenden Schlappe, hatte Bundeskanzler Werner Faymann noch ein Argument gegen eine drohende Debatte um seine Person: Der mehrfache Wechsel des ÖVP-Chefs habe dieser nichts gebracht. Ja, das hatte etwas. Aber in der SPÖ werden inzwischen nicht mehr die Für und Wider eines Wechsels in der Führung abgewogen, da herrscht inzwischen die Panik, dass die Sozialdemokratie schnell die Regierungsmacht verlieren könnte, und Machtfragen waren in der SPÖ immer vorherrschend. Ein Parteichef muss nicht beliebt sein, aber wenn er Mandate kosten oder gar die Bedeutung der Partei gefährden könnte, wird es ganz eng.
Werner Faymann, von manchen durchaus als Stehaufmännchen der Innenpolitik bewundert, machte auch in schwierigen Zeiten, also nach Wahlniederlagen, oft einen entspannten Eindruck. Denn er konnte sich sicher sein, dass keine Königsmörder in der Umgebung waren, sollten auch Parteifreunde bereit sein, den roten Purpur zu übernehmen. Aber hier hat sich innerhalb weniger Stunden die Lage grundsätzlich geändert. Erst am Dienstag hatte der Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl, einer der wenigen verbliebenen Genossen mit Einfluss, dem Parteichef via Medien eine Atempause ausgerichtet – so etwas wäre früher auch anders gelaufen. Aber auch Häupl ist nicht mehr, was er einmal war, nämlich eine unumschränkte Autorität in der Partei. Und so brach am Mittwoch eine Debatte über eine Vorverlegung des Parteitags aus, eine verschämte Initiative, über eine neue Führung nachzudenken. Die SPÖ ist also inzwischen so tief im Selbstverständnis und ihren Traditionen erschüttert, dass auch brave Genossen nicht mehr zu den Autoritäten aufblicken. Die Revolte von unten hat begonnen, das Publikum innerhalb und außerhalb der Partei wartet darauf, ob sie eingefangen werden kann.
Die Zukunft der Partei ist völlig offen
Aber auch eine neue Parteiführung käme nicht um rasche Entscheidungen herum, wie sich die SPÖ in zentralen Fragen positioniert. Also zunächst: Wie hält es die SPÖ mit der FPÖ? Da ist Kanzler Faymann mit dem Großteil der Wiener SPÖ dem strikten Nein von Franz Vranitzky gefolgt. Die Burgenländer sehen das inzwischen anders, das wird ein heftiger Streit. Der Umgang mit Flüchtlingen und Zuwanderern ist ebenso umstritten wie der offene Arbeitsmarkt in der EU. Die "solidarische Hochleistungsgesellschaft" von Kurzzeit-Kanzler Alfred Gusenbauer ist in Vergessenheit geraten, aber wie die SPÖ in der künftigen, von Robotern dominierten "Industrie 4.0" Jobs schaffen und den Sozialstaat erhalten will, wird jetzt gar nicht mehr diskutiert.
In der zutiefst verunsicherten SPÖ führen nicht mehr die Granden, sondern die " Schwarmintelligenz" der Basis Regie. Vielleicht versucht Faymann, diese mit einer Regierungsumbildung milde zu stimmen. Oder er marschiert mit neuen Personen und neuem Programm doch in einen vorverlegten Parteitag.
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