Van der Bellen, oder: Zu viel Zeigefinger
Die Bregenzer Festspiele sind eröffnet, die Salzburger folgen kommende Woche. Dort hält Anton Zeilinger die Eröffnungsrede. Das lässt nobelpreisträgerliche Substanz erwarten. Endlich.
Denn es hat sich zur unerträglichen Tradition entwickelt, dass Politiker auf Festspielbühnen den politisch-moralischen Zeigefinger schwingen. Allen voran der Bundespräsident.
Alexander Van der Bellen hat das in Bregenz ausführlich getan. So wie schon vor einem Jahr mit der Maßregelung der Regierung („arbeiten, arbeiten, arbeiten“), so wie in der Neujahrsansprache (ausständige „Generalsanierung“ des „innenpolitischen Wasserschadens“). Nun hat er sich im Konflikt um den „Normalitäts“-Sager aus den Reihen der Volkspartei in die von seinem Nachnachfolger als Grünen-Chef angeführte Kritikerreihe gestellt, ohne die Adressaten namentlich zu nennen natürlich.
Das ist unzulässig. Kann bitte irgend jemand dem Bundespräsidenten ins Diensthandbuch schreiben, dass tagespolitische Bewertungen nicht seine Aufgabe sind?
Österreichs Bundespräsidenten haben ihr Amt unterschiedlich angelegt. Franz Jonas war der letzte „Grüßaugust“; Rudolf Kirchschläger der erste Mahner („Saure Wiesen trocken legen“); Kurt Waldheim war/wurde mit seiner Vergangenheit beschäftigt; Thomas Klestil wollte gerne die Macht eines französischen Präsidenten und konnte finster schauen; und Heinz Fischer war die Vorsicht Heinz Fischer.
Nein, ein Bundespräsident muss sich nicht aufs Eröffnen beschränken. Er ist mit seinen Kompetenzen Wächter über die Einhaltung der Verfassungsordnung, kann Gedanken über den Weg einer Gesellschaft formulieren und hat genug zu tun: Van der Bellen hatte Regierungswechsel und Angelobungen zu administrieren, wie keiner vor ihm. Er hat das akkurat hingekriegt.
Ein Bundespräsident muss auch nicht seine Gesinnung abgeben, idealerweise nur seine Parteimitgliedschaft. Und seine Parteilichkeit.
Der Ex-Grüne Alexander Van der Bellen gefällt sich als tagespolitischer Mahner, delektiert sich an der Originalität seiner Reden oder Redenschreiber – und läuft Gefahr, die Polarisierung, die er an die Wand malt und deren Urheber er klar verortet (außer bei „Präfaschistoid!“-Rufern), selbst zu befördern. Seit der Haider-Ära wird debattiert, ob das Fingerzeigen auf Populisten diese nicht größer macht – darf ein Bundespräsident diese Gefahr salopp in Kauf nehmen und damit eine politische Entwicklung beeinflussen (am Ende in eine Richtung, die er gar nicht will)?
Zitate für die Quote (und den billigen Applaus des Boulevards) befördern nur die ohnehin verbreitete Stimmung gegen „die da oben“. Sie haben in Festspielreden und auch sonst in der Agenda des Staatsoberhauptes nichts zu suchen. Wie gesagt: Salzburg kann nur besser werden.
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