US-Wahlkampf: Optimismus können weder Trump noch Biden vermitteln

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Das Land sucht nicht erst seit der Corona-Krise sein verlorenes Lebensgefühl. Die Kandidaten können es nicht bieten.

Wenn es eine Grundstimmung, ein Lebensgefühl gab, das die USA immer bestimmt und einen grundskeptischen Mitteleuropäer so oft beeindruckt hat, dann war es der Optimismus. Eine Krise, ob persönlich oder als Nation, die bedeutete für die Mehrzahl der Amerikaner immer auch die Aussicht darauf, sie zu überwinden und stärker daraus hervorzugehen.

Angstmacherei

Es ist genau dieser Optimismus, den das Land inmitten der Pandemie und des anlaufenden Wahlkampfes vermisst. Das allein mit dem Coronavirus zu erklären, greift zu kurz. Schon die Wahl von Donald Trump 2016 war im Zeichen von Angst – etwa vor Zuwanderung – gestanden, und der Wut auf jene dort im fernen Washington, die man für diese Angst verantwortlich machen durfte. Der Präsident, von der Corona-Krise und seinen miserablen Umfragewerten in die Enge getrieben, wird bis zur Wahl im November jede Gelegenheit nützen, um diese Angst von Neuem zu entfachen. Nur dazu inszeniert er die Proteste gegen die anhaltende rassistische Diskriminierung von Schwarzen als Bürgerkrieg, in dem Recht und Gesetz auf dem Spiel stünden.

Eine Nebenrolle für die Zukunft

Doch Trump gegenüber steht ein Mann, in dessen Wahlkampf der Blick in eine bessere Zukunft auch nur eine Nebenrolle spielt. Es ist nicht nur das Spiel mit den Anfangsbuchstaben, das dem Wort „back“ einen so prominenten Platz in seinem derzeitigen Wahlkampfmotto („build back better“) einräumt, es ist die Grundhaltung, mit der der 77-Jährige das Weiße Haus ansteuert. Joe Biden verspricht, das, was Trump in seinen Augen angerichtet hat, wiedergutzumachen. Zurückhaltend und in den wenigen bescheidenen Botschaften, die er aus seinem selbst gewählten Corona-Hausarrest schickt, präsentiert er sich als Beruhigungspille für ein aufgewühltes Land.

Ein geschickter Verhandler - mehr nicht

Biden weist einen Weg zurück in die Jahre, in denen er als Obamas Vizepräsident vor allem für eines stand. Ja, für was eigentlich? Ein geschickter Verhandler sei er, einer, der den Kompromiss mit dem Gegner sucht und findet: Das ist das bemerkenswerte Lob, das politische Weggefährten für ihn aufbieten.

Ein rückwärtsgewandter Pragmatiker, der einen Angstpropheten herausfordert, das ist die Paarung, die Amerika in dieser Wahl vorgesetzt wird. Und das sagt viel über die Grundstimmung aus, die sich in diesem Land festgesetzt hat. Wie groß und ungestillt das Bedürfnis der Amerikaner nach Optimismus, nach einem Blick in eine bessere Zukunft ist, durfte man noch in diesem Frühjahr bei Bidens Mitbewerber Bernie Sanders erleben. Man mag über die oft altbackenen sozialdemokratischen Konzepte des ebenfalls nicht mehr ganz jungen Sanders denken, was man will. Die Begeisterung, die bei seinen Auftritten, unter den großteils jugendlichen Anhängern zu spüren war, beeindruckte.

Amerika braucht seinen Optimismus

Es ist die Haltung, der Optimismus, der Amerika immer vorangetrieben hat und den es brauchen wird, wenn die Corona-Pandemie längst Geschichte ist. Viel davon wird wohl keiner der beiden Herren, die jetzt um den Platz im Weißen Haus kämpfen, seinen Landsleuten vermitteln können.

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