Unbequeme Entscheidungen

PCR-Testverfahren
Flächendeckendes Testen ist nicht nur eine epidemiologische Notwendigkeit. Es ist – auch – ein ganz gutes Geschäft.
Christian Böhmer

Christian Böhmer

Der Tiroler Landesregierung sind zwei Mitglieder abhandengekommen, und bei allem Respekt für das „Heilige Land“: Für gewöhnlich endet das Interesse an Nachrichten wie diesen sehr verlässlich an der Landesgrenze.

Im Fall des gegangenen Gesundheitslandes Bernhard Tilg ist das anders.Denn was im Tiroler Krisenmanagement schiefgelaufen ist, hat nicht nur Tirol oder Österreich, sondern (Stichwort: Ischgl) ganz Europa bewegt.

Tilg ist das zweifelhafte Kunststück geglückt, dem Begriff des „politischen Missmanagements“ ein Gesicht zu geben. Und so besteht zur Stunde tatsächlich der Verdacht, dass ein PCR-Labor ohne Ausschreibung und fachliche Eignung im öffentlichen Auftrag Hunderttausende Corona-Testungen erledigt und dafür Millionen an Steuergeld bekommen hat.

Welche Rolle Tilg bei der „Labor-Affäre“ zukommt, lässt sich nicht abschließend beantworten. Die Tiroler Causa steht allerdings fast stellvertretend für eine Herausforderung, der sich in den nächsten Monaten nicht nur einzelne Gesundheitslandesräte, sondern die Politik an sich zu stellen hat.

Allein das Bundesland Wien liefert mit der Aktion „Alles gurgelt“ Woche für Woche stattliche 1,2 Millionen Corona-PCR-Tests an seine Bürger aus. Bei bis zu 60 Euro, die die öffentliche Hand für jede Auswertung eines PCR-Tests bezahlt, ist klar: Flächendeckendes Testen ist nicht nur eine epidemiologische Notwendigkeit, es ist – auch – ein ganz gutes Geschäft.

Dasselbe gilt fürs Impfen: Erst am Mittwoch hat die Bundesregierung 42 Millionen Impfdosen für die nächsten beiden Jahre geordert. Pro Stich und Dosis steht Ärzten ein Honorar von 25 Euro zu.

Um keinen falschen Eindruck zu vermitteln: Hochwertige Medizin gibt’s nicht geschenkt. Wer will, dass Labore am technischen Letztstand sind, muss sie ordentlich bezahlen. Und auch ein impfender Arzt, der Patienten gut berät und betreut, hat sich ein anständiges Honorar verdient.

Es wäre aber naiv zu glauben, dass bei gesundheitspolitischen Entscheidungen wie „Wer kann testen?“ oder „Wer darf impfen?“ nur medizinische Argumente eine Rolle spielen. Es geht auch ums Geld, um die eigene Einflusssphäre – und deren Verteidigung. Nicht von ungefähr zählen Interessenvertreter wie die Ärzte-, Apotheker- oder Wirtschaftskammer zu den finanziell wie politisch potentesten Lobbyinggruppen des Landes.

Wer also die Frage beantwortet, wie Österreich in Zukunft testen oder impfen muss, macht sich damit zwangsläufig Feinde. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hat bei seinem Amtsantritt versichert, er habe keine Angst vor unpopulären Entscheidungen. Es ist gut möglich, dass er das schneller beweisen muss, als ihm vielleicht lieb ist.

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