Terrorismus - Fehler der Politik, Zeit für Korrekturen
Nach dem jüngsten Anschlag in London klang Theresa May anders als bisher, als sie die „segregierten“ Communities problematisierte und der Ideologie, die die Täter antreibe, den Kampf erklärte. Es gebe viel zu viel Toleranz gegenüber dem Extremismus. Sie hat Recht.
Bei der Suche nach den Ursachen von Radikalisierung, islamischem Extremismus und Terrorismus in Europa neigen viele dazu, die Kraft der Idee, der politischen und religiösen Überzeugung zu unterschätzen, als wäre die Geschichte nicht voller Beispiele für den Tatendrang und das Feuer ideologischer Verblendung. Wir brauchen uns nur den Nationalsozialismus, die Beseeltheit seiner Anhänger, die Begeisterung unzähliger Frauen und Männer vor Augen halten, von denen sich allzu viele zu allem bereitfanden. Oder den Fanatismus der Kommunisten, die Verfolgung von Dissens und den Gulag für eine historische Notwendigkeit hielten. Sie alle waren überzeugt, das Richtige zu tun und für eine gerechte Sache zu kämpfen, die am Ende der ganzen Welt zum Heil gereichen sollte. Nichts anderes tun islamische Fundamentalisten, wenn sie in Europa Anschläge verüben und nichts anderes tun die Terrorismus befördernden Regime Saudi-Arabiens oder Irans, wenn sie die eigene Bevölkerung - getragen von nicht geringen Teilen derselben - islamisch homogenisieren und gleichzeitig versuchen, ihre Vorstellungen vom guten und richtigen Leben in die Welt zu exportieren.
Es ist die Ideologie des fundamentalistischen, politisch aufgefassten Islam, die Menschen zu Attacken wie der in London antreibt, die Überzeugung, für die gerechte Sache zu kämpfen. Der hilflose Versuch, diesen Terror und die mit ihm einhergehende Intoleranz und Überlegenheitshaltung gegenüber Andersdenkenden und Anderslebenden mit Diskriminierungserfahrung, mangelnder Bildung oder prekärer sozialer Situation zu erklären, war schon falsch, als der Terror erstmals von sich reden machte und man noch glaubte, er sei eine vorübergehende Erscheinung. Derartige Behauptungen halten einer sozialwissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Dass auch solche Faktoren im Denken und Handeln von Menschen eine Rolle spielen, ist eine Binsenweisheit, die jedoch den Kern des Phänomens verfehlt. Der Terror trifft nicht nur den Westen. In Kabul, Bagdad, Aleppo, Istanbul oder Kairo zielt er in erster Linie auf Teile der dortigen Bevölkerung, auf die dortigen „Ungläubigen“: Christen, Jesiden, Aleviten und Muslime, die ihren Glauben anders verstehen und praktizieren als die Gotteskrieger. Religiöser Extremismus, Unduldsamkeit und Gewaltbereitschaft zeigen sich leider auch in der Mitte islamischer Gesellschaften und europäischer islamischer Communities, die sich mit den Terrorristen immer dann einig sind, wenn es gegen Homosexuelle, Atheisten, islamkritische Geister und diejenigen Muslime geht, die religiöse Gebote und Verbote nicht über alles stellen und sich erlauben, selbst zu entscheiden, ob sie etwa im Ramadan fasten oder nicht. Bigotterie und Hass auf abweichende Glaubens- und Lebensformen, mithin Hass auf die pluralistische Gesellschaft, sind es, die Fundamentalisten veranlassen, ihrer Umwelt und dem Rest der Welt eine Art Kulturkampf aufzuzwingen. Die Schweizer Politikwissenschaftlerin Elham Manea, selbst Muslimin, hat sich nicht nur Freunde gemacht, als sie 2014 unter dem Titel „Time to Face the ISIS Inside of Us“ einen mutigen Aufruf an Muslime veröffentlichte.
Angesichts religiös argumentierter Intoleranz und Gewalt in Europa, die man nach Jahrzehnten weitgehenden gesellschaftlichen Friedens weder vorausgesehen noch für möglich gehalten hatte, verfielen viele in eine Art Schockstarre, die in Verdrängung und Wunschdenken überging. Das ist vielleicht ein allzu menschlicher Reflex, der jedoch, wenn ihm auch die politisch Verantwortlichen erliegen, gefährliche Auswirkungen auf das Zusammenleben in der Gesellschaft hat. Der Einfluss des legalistischen politischen Islam und sein Infiltrieren von Politik, NGOs und Universitäten - in Großbritannien und den USA gibt es inzwischen von Katar bezahlte Lehrstühle und Institute, die mit Anhängern und Anhängerinnen der Muslimbruderschaft besetzt werden - wurde in der Folge nicht zur Kenntnis oder trotz Warnungen nicht ernst genommen. Über viele Jahre wurden Probleme tabuisiert, radikale Prediger und Moscheegemeinden ignoriert und Lobbyisten des politischen Islam hofiert und dadurch mit Ansehen und Macht ausgestattet. Die Fehler der Politik haben den neuen Extremismus in demokratischen Gesellschaften zwar nicht verschuldet, aber leider erheblich begünstigt. Höchste Zeit für Korrekturen.
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