Strache und der Ibiza-Bonus

Die FPÖ zeigt, wie man einen Skandal zum eigenen Vorteil nutzt. Kaum jemand kommt dagegen an.
Christoph Schwarz

Christoph Schwarz

Die Österreicher haben der Politik einen gefährlichen Freibrief ausgestellt: Selbst grauslichste Grauslichkeiten bis hin zum Wählerverrat sind erlaubt – sogar, wenn man sich dabei nicht sonderlich schlau, sondern ausgesprochen dumm anstellt. Das wissen die Parteien spätestens seit vergangenem Sonntag.

Die FPÖ, die nach der Ibiza-Affäre am Boden zu liegen schien, landete bei der EU-Wahl weit mehr als bloß einen Achtungserfolg. 17,2 Prozent der Wähler schenkten den Blauen ihr Vertrauen, ein Minus von gerade einmal 2,5 Prozentpunkten. Das ist für eine Partei, die neun Tage zuvor für einen der größten Skandale der Zweiten Republik gesorgt hat, ein beachtliches Ergebnis. Es ist aber vor allem ein verstörendes.

Denn gewählt haben viele die FPÖ nicht trotz, sondern wegen des Ibiza-Skandals. „Jetzt erst recht“, postete Heinz-Christian Strache in bester Märtyrer-Pose. Seine Anhänger folgten. 44.750 Wähler hievten ihn mit Vorzugsstimmen vom 42. Listenplatz ins EU-Parlament. Die Ibiza-Affäre ist für Strache zum Ibiza-Bonus geworden. Dass er ernsthaft überlegt, das Mandat anzunehmen, zeigt, dass er seinen moralischen Kompass verloren hat. Dass ein Gutteil der FPÖ-Wähler einer Umfrage zufolge seine Rückkehr nicht nur für möglich hält, sondern „erhofft“, legt zugleich den Verdacht nahe, dass er diesen Kompass gar nicht benötigt.

Wie aber kann das sein? Getragen war die Welle der Empörung, die nach Ibiza über das Land schwappte, offenbar ausschließlich von Menschen, die die FPÖ auch vor Ibiza nicht gewählt hätten. Von notorisch Empörten und erhobenen Zeigefingern profitiert die FPÖ seit jeher. Diese haben die FPÖ nun dorthin zurück getrieben, wo sie sich wohl fühlt: in der Opferrolle.

Sie sind gegen uns, weil wir für euch sind. Die Kernwähler hören das nur allzu gerne.

Die blauen Strategen schlagen zurück

Die blauen Strategen verwandelten den FPÖ-Skandal eilig in eine Kriminal-Posse: Dubiose Anwälte und rot-schwarze Verstrickungen hier, ein paar Verschwörungstheorien und eine Prise Mossad da. Mehr braucht es nicht. Das sind Erzählungen, die funktionieren. Die Öffentlichkeit spielte mit – und diskutierte bald über die wirklich wichtigen Dinge: Hätte Strache-Ehefrau Philippa „ihren HC“ mit einem derart unvorteilhaften T-Shirt außer Haus gehen lassen? (Angeblich nicht.) Handelt es sich beim weißen Pulver auf dem Ibiza-Glastisch um jene „psychotrope Substanz“, die Johann Gudenus als Rechtfertigung anführte? (Keine Ahnung.)

Die Frage, warum die „Heimatpartei“ nach zwei Vodka-Red-Bull die halbe Republik an russische Oligarchen verscherbeln würde, wirkt demgegenüber irgendwie alt, langweilig und vor allem zu kompliziert. Leider. Dass Strache an diesem Abend jene Wähler verriet, deren Fürsprecher er 15 Jahre lang sein wollte, werden diese daher wohl nie erfahren.

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