Staatsmänner dringend gesucht

ÖVP-Granden, die ihren eigenen Bundeskanzler drängen, einen wichtigen Krisengipfel zur Stromversorgung des Landes aus niederen Gründen der Parteitaktik platzen zu lassen?
Ein Bürgermeister – und Landeshauptmann –, der keine rote Beteiligung an selbiger Sitzung wünscht und abtaucht, um von seinem städtischen Stromerzeuger nicht mit ins PR-Verderben gerissen zu werden?
Ein kleiner Wiener Koalitionspartner, der sich gerne als Transparenzpartei geriert, im entscheidenden Moment aber vergisst, dass er über die finanzielle Notlage des Konzerns doch vorab Bescheid wusste?
Ein Finanzminister, der über Spekulationen spekuliert, noch bevor die nötigen Informationen auf dem Tisch liegen?
Und eine Parteichefin, die ein börsennotiertes Unternehmen gleich mit auf Talfahrt schickt, weil sie unbedacht über dessen (angeblich) mangelnde Liquidität sinniert?
Staatsmännisch geht wahrlich anders.
Was heimische Spitzenpolitiker – weibliche Parteivorsitzende sind mitgemeint – in den vergangenen Tagen rund um die Causa Wien Energie abgeliefert haben, erinnert mehr an ein (ziemlich unwürdiges) parteipolitisches Schauspiel denn an kompetente Krisenbewältigung. Das verwundert umso mehr, als sich die Verantwortlichen aller Couleur in den vergangenen fast zweieinhalb Jahren an ausreichend Krisen versuchen durften – und gelernt haben sollten, dass es Situationen gibt, die nach einem nationalen Schulterschluss verlangen. Wenn ein großer Energiekonzern die Versorgungssicherheit nicht mehr garantieren kann, könnte eine derartige Situation gegeben sein. (Klar: Etwaige rechtswidrige Vorgänge bei der Wien Energie müssen aufgeklärt werden – dass das im Sturm der politischen Hysterie leichter von der Hand geht, darf aber getrost bezweifelt werden.)
Dass man nicht die Kraft hat, auf höchster Ebene professionell und vertrauensvoll zu Lösungen zu finden, zeigt, wie vergiftet das Klima ist. Der türkis-rote Streit zwischen Bund und Stadt (oder Stadt und Bund – je nach Sichtweise) ist längst zum Selbstzweck verkommen. U-Ausschüsse dienen vorrangig nicht mehr der Wahrheitsfindung, sondern der Selbstprofilierung. Revanchefouls inklusive. (Dass die Untersuchungskommission, die in der Bundeshauptstadt zur Causa Wien Energie eingesetzt wird, mit höheren ethischen Standards überrascht, kann man nahezu ausschließen.)
Die Folgen sind gravierend – auch für zukünftige Koalitionen. Die türkis-rote Annäherung hat vorerst jedenfalls ein jähes Ende erfahren. Das gegenseitige Misstrauen wird noch einige Zeit lang nachhallen.
Fast droht man dieser Tage nostalgisch zu werden. Und sich nach jenen alten Tugenden in der Politik zu sehnen, die man – im Wunsch nach mehr Transparenz – zuletzt als Hinterzimmerpolitik verteufelte. Keine gute Entwicklung.

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