SPÖ: Deckel drauf, Unmut brodelt weiter

Werner Faymann sichert sich nur eine neue Atempause. Die Missstimmung über Kurs und Personal bleibt.
Josef Votzi

Josef Votzi

Faymann sichert sich nur eine Atempause. Die Missstimmung über Kurs und Personal bleibt.

von Josef Votzi

über die SPÖ-Krise

In der SPÖ macht dieser Tage die Episode von einem historischen Rücktritt die Runde. Fred Sinowatz hatte 1986 alles getan, um (nach dem langjährigen SPÖ-Regierungsmitglied aber parteilosen Staatsoberhaupt Rudolf Kirchschläger) die Wahl des ÖVP-Kandidaten Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten zu verhindern. 44 Prozent für den gescheiterten SPÖ-Kandidaten Kurt Steyrer galten damals schon als verheerende Niederlage. Fred Sinowatz, glückloser Parteichef und bislang einziger Kanzler einer rot-blauen Koalition, machte Platz für Franz Vranitzky.

Schmähliche 11 Prozent und Platz 4 für eine Regierungspartei am vergangenen Sonntag sind nicht nur einmalig. Sie treffen eine Partei ins Mark, in der die Stimmung bereits am Tiefpunkt war: Wahlniederlagen in Serie und drohende Aussicht auf einen blauen Hausherren in der Hofburg und bald auch im Kanzleramt. Wut und Angst gegen die da oben in der Partei, die einmal mehr eine Niederlage mit Neustart-Ansagen aussitzen wollen. Das machte sich in einer Wucht wie nie zuvor Luft. Spitzenrote quer durch die Bundesländer forderten: Personal- und Kurswechsel in der SPÖ jetzt. Werner Faymann zeigt jetzt einmal mehr, was er am besten beherrscht: Machtabsicherung um jeden Preis. Der Parteitag findet mit Segen Michael Häupls trotz des Aufbegehrens vieler roter Länderchefs erst im November statt. Das Mondfenster seiner Gegner für einen raschen Sturz Faymanns ist damit zu.

Niessl:Rot mit Blau, Häupl: Rot ohne Blaustich

Werner Faymann sichert das nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine neue Atempause. Wenn die rote Revolte sich nicht im Vorfeld oder am Parteitag selbst neuerlich massiv entlädt, könnte das sogar reichen, um als Parteichef noch einmal zu überleben. Über Faymanns Performance als Kanzler befinden spätestens 2018 aber allein die Wähler. Die Parteifunktionäre werden sich vor der Kür des SPÖ-Spitzenkandidaten noch einmal fragen: Geht es mit der SPÖ weiter derart rasant bergab, ist bald auch ihre ganz persönliche Machtbasis dahin.

Der tiefe Riss, der durch die Partei geht, ist auch für die breite Öffentlichkeit sichtbar geworden. Er wird nur zugekleistert, die Bruchlinien bleiben: Hie die burgenländischen Roten, die eine Öffnung Richtung Blau inklusive Koalitions-Option wollen. Dort die Wiener Roten, die gegen Faymanns 180-Grad-Schwenk in der Asylpolitik als Kehrtwende Richtung Blau wettern. Beide Lager verbindet nur eine gemeinsame Einsicht: Mit dem jetzigen Regierungspersonal und dem kurvenreichen Kurs ist bei Wahlen kein Blumentopf zu gewinnen.

Offen ist, ob die Faymann-Gegner vorerst nur in Deckung gehen oder jetzt erst recht mobil machen. Der Mai-Aufmarsch am Sonntag wird so mehr denn je zum Stimmungstest: Hält der Deckel am roten Druckkochtopf oder entlädt sich der Unmut über Faymann & Co noch lauter als in den Tagen nach dem traumatischen Wahldesaster. Denn bis gestern galt nicht nur in der burgenländischen SPÖ die Parole, die ein Niessl-Vertrauter öffentlich ausgab: "Die Parteibasis hat die Nase gestrichen voll."

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