Schlechtes Timing, schiefe Optik

Andreas Babler, Christian Stocker und Beate Meinl-Reisinger im Rahmen der Regierungsklausur im September.
Mit der Dreierkoalition verhält es sich derzeit wie mit Dreierlei-Lebkuchen in den Supermarktregalen: Sie offenbaren, dass die Verantwortlichen weder Gespür für Timing noch für die Stimmung im Land haben.
„Angesichts der hohen Inflation und des notwendigen strengen Budgetvollzugs suchen wir das Gespräch mit den Gewerkschaften“, richtet SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer eine Woche nach der Klausur, einen Tag nach dem ORF-„Sommergespräch“ von FPÖ-Chef Herbert Kickl und vor den Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller aus.
Die Regierung will die 2024 unter Türkis-Grün beschlossene Erhöhung der Beamtengehälter um 0,3 Prozentpunkte über der Inflation für 2026 neu verhandeln. Der für den öffentlichen Dienst zuständige ÖVP-Staatssekretär Alexander Pröll ist sich in einer eMail an die Gewerkschaftsspitzen dessen bewusst, „dass dies eine besondere Herausforderung darstellt“. Hat sich die Finanzsituation binnen einer Woche derart verschlechtert, oder warum haben ÖVP, SPÖ und Neos nicht gleich in einem Aufwasch anlässlich der „Gemeinsam am Aufschwung arbeiten“-Klausur die Karten auf den Tisch gelegt?
Die Pensionserhöhung unter der 2,7-%-Marke infrage gestellt und die Beamtengehälter? Bekannt ist die Problematik nämlich seit Langem. Sowohl Fiskalratschef Christoph Badelt als auch WIFO-Chef Gabriel Felbermayr haben sich bereits im Frühjahr für ein Aufschnüren des Beamtenpakets ausgesprochen. Geschehen ist nichts. Dafür ist viel erarbeitet wie erfunden worden. Ob aus Angst, von der FPÖ vor sich hergetrieben zu werden oder wegen der selbstauferlegten Ambition, als Regierung gefühlt jeden zweiten Tag etwas Neues liefern zu müssen, mit dem alle drei leben können?
Das wissen nur die Beteiligten.
Evident ist: Vieles, was Türkis-Rot-Pink umgesetzt hat, ist schon verpufft. Verdrängt durch immer neue Themensetzungen, denen sich die Regierung im Stakkato verpflichtet zu fühlen scheint. Kaum ist Maßnahme X medial vermarktet, wird sie durch eine neue ersetzt und kommt so beim Gros der Bevölkerung erst gar nicht an.
Oder erinnern Sie noch an Details von „Lifestyle-Teilzeit“, „Teilpension“ und „Österreich-Aufschlag“, der „2-1-0-Formel“, des „Strukturpakets“ oder der „Sommerschule“? In Erinnerung bleiben dieser Tage weniger Inhalte, denn Bilder, die eine schiefe Optik erzeugen. Weil sie zur Unzeit von Inszenierung zeugen.
SPÖ-Chef Andreas Babler zeigt sich in New York, Beate Meinl-Reisinger dirigiert am Kirtag. Politiker sollen und müssen internationale Beziehungen wie jene zur Bevölkerung pflegen, doch es ist eine Frage des Timings wie Stils, wann man was wie macht. Wenn die Regierenden so weitermachen, werden sie die Wähler beim Aufschwung, der einem Marathon gleicht, wie sie sagen, verlieren. Weniger ist mehr. Beim Tempo wie bei der Kommunikationstaktik.
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