Aus seiner wissenschaftlichen Sicht heraus klingt das vernünftig, die beinharte Realpolitik funktioniert aber nach anderen Gesetzen – auch in der SPÖ. Deswegen müssen jetzt zuerst die Personalfragen gelöst werden, ehe man zur inhaltlichen Aufarbeitung geht. Angesichts der Sackgasse, in der die Roten mittlerweile stecken, kann das nur mit einer Neuaufstellung der Bundesspitze gelingen. Ein Zurück-an-den-Start ist jedenfalls kaum mehr möglich. Zu sehr wurde im Konflikt zwischen Rendi-Wagner und Doskozil an der Eskalationsschraube gedreht.
Wobei die Wienerin die schlechteren Karten hat, auch wenn sie Bundesvorsitzende ist. Ihr Kontrahent ist der SPÖ-Landeshauptmann mit dem bundesweit besten Landtagswahlergebnis. Ihn kann sie nicht absetzen und auch nicht aussitzen. Dass sich Pamela Rendi-Wagner öffentlich gegen Querschüsse aus dem Burgenland wehrt, wird in ihrer Partei großteils verständnisvoll zur Kenntnis genommen. Dass sie Doskozil aber mit FPÖ-Feindbild Herbert Kickl verglichen hat und ihm Unehrlichkeit vorwirft, hat selbst bei innerparteilichen Gegnern des Burgenländers für Entsetzen gesorgt. Wer auch immer da ihre Einsager gewesen sind, sie müssten eigentlich sofort entfernt werden.
Der Konflikt zwischen Rendi-Wagner und Doskozil ist nicht die einzige personelle Bruchlinie in der SPÖ. Da gibt es noch den Ex-Bundesgeschäftsführer Max Lercher, der in Wien wegen seines steirischen Dialekts nie wirklich ernst genommen worden war. In den Bundesländern gilt er aber als Mann der Basis. Die Löwelstraße hingegen wird dort mittlerweile als „Wiener Zirkel“ bezeichnet, für den Österreich bei der Stadtgrenze aufhört, wie Salzburgs Arbeiterkammerpräsident Peter Eder kritisch angemerkt hat. Und da ist noch Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, der seit der Kündigung von Parteimitarbeitern per eMail keine Basis mehr hat. Warum Rendi-Wagner an ihm festhält, ist für die Landesparteivorsitzenden ein Rätsel und auch ein Ärgernis.
Der Haken: Es gibt derzeit weit und breit nicht diese Lichtgestalt, die die SPÖ bundesweit einen und nach vorne bringen könnte. Was auch sehr viel über den Zustand der einst stolzen Sozialdemokratie aussagt.
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