Reformen jetzt wären besser als Italiens Kur
Können wir von anderen Ländern lernen? Aber ja. Schon ein Blick nach Deutschland hilft immer wieder, zuletzt in der sogenannten CSU-ZDF-Affäre. Die ist schnell erklärt. Ein Sprecher der bayerischen Christlich Sozialen Union ( CSU) hatte versucht, beim ZDF einen Bericht über einen SPD-Parteitag zu verhindern. Als das bekannt wurde, dauerte es nicht einmal 48 Stunden, und der CSU-Mann war Geschichte. In den Wiener Parteizentralen gab es dazu nur ein fröhlich-glucksendes Kichern. Wie sollten die im ORF denn arbeiten – ohne hilfreiche Hinweise von den Parteien?
Oder ein Besuch in Italien. Da sitzt der Regierungschef ganz ruhig in seinem Zimmer und redet von Reformen, über die in Österreich nicht der böseste "Neoliberale" nachdenken würde. Hohe Steuern auf Immobilien, auch solche, die vom Eigentümer bewohnt werden, ein deutlich späteres Eintrittsalter in den Ruhestand, höhere Mehrwertsteuer und – darüber redet sogar der wackere Ministerpräsident Monti nur leise – Lehrer sollen statt bisher ca. 20 Stunden rund ein Drittel länger arbeiten, ohne Lohnausgleich, dafür im Klassenzimmer. Verschwörung? Im Internet wird Monti gerne als ehemaliger Berater von Goldman Sachs vernadert, als ob diese Bank Italien an den Abgrund geführt hätte. Also hilft ein Besuch in der Via Sant"Andrea delle Fratte, unweit der Spanischen Treppe. Dort ist das Hauptquartier des Partito Democratico. Deren Chef, Pier Luigi Bersani, ist in der Kommunistischen Partei groß geworden und hat sich nach dem Zerfall der Parteien in den 1990er-Jahren dem Mitte-links-Bündnis angeschlossen. Jetzt unterstützt Bersani alle Reformen Montis. "Natürlich ist es hart, wenn die Leute bis 67 arbeiten müssen, wenn die Familien wegen steigender Steuern weniger Geld für den Konsum zur Verfügung haben. Aber es gab keine Alternative zu den Reformen", so Bersani. Und der 87-jährige Staatspräsident Giorgio Napolitano, nach seiner Zeit im Widerstand gegen die Faschisten ein führender Kommunist des Landes, sieht es ähnlich: "Wir dürfen die Reformen der vergangen elf Monate nicht ins Meer werfen", warnte er kürzlich wieder. Da ist also keine "neoliberale" Verschwörung zu erkennen.
Für Österreich heißt das, dass wir genau analysieren müssen, warum Italien so ein rigides Sparprogramm einführen musste. Es gab ja keine Immobilienblase wie in Spanien, und in den letzten Jahren einen budgetären Primärüberschuss. Aber die Schulden, die auch der selbst ernannte Weltökonom Silvio Berlusconi angehäuft hatte, haben zu hohen Zinsen geführt, die einfach unfinanzierbar wurden. Dass Italien jahrzehnte ang statt in Bildung in seine Bürokratie investiert hat, ist noch heute zu spüren.
Warum tun wir uns so schwer, beim Staat zu sparen, dafür aber in Bildung und Forschung zu investieren? Warum dauern Reformen, etwa beim Lehrerdienstrecht so lange? Niemand kann ein Sparprogramm all’italiana wünschen. Wäre es einmal so schlimm, würde nicht einmal ein Anruf beim ORF helfen.
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