Profiteur China

So schnell kann’s gehen: Vor ein paar Wochen noch war China als Ausrichter der Olympischen Winterspiele ein von der halben Welt mit Unwohlsein beäugter Paria – wie kann man im Land der gröbsten Menschenrechtsverletzungen und Bedrohungen feiern (aber die ganze Welt machte bei den Spielen mit). Jetzt steht die Welt quasi Schlange bei China, weil sie etwas braucht: Russland soll in seinem ebenso holprigen wie grausamen Krieg gegen die Ukraine Peking um Waffen- und Wirtschaftshilfe gebeten haben. Und der Sicherheitsberater US-Präsident Joe Bidens sprach mit dem obersten chinesischen Außenpolitiker in Rom wohl nicht nur im Warnmodus, dass ein Unterlaufen der westlichen Sanktionen gegen Moskau auch China schaden würde. Sondern wohl auch darüber, wie man dem Kriegstreiber in Moskau mit vereinten Kräften Einhalt gebieten könnte.
Dass Russland sich an China wendet, ist nicht neu. Wladimir Putin hat Chinas Präsidenten Xi Jinping zur Freude die Spiele besucht, und angebliche Geheimdienstberichte besagen, dass China Russland gebeten habe, mit dem Überfall auf die Ukraine bis nach den Spielen zuzuwarten – wie es dann ja auch geschah.
Aber wie steht China wirklich zu dem Krieg?
Ambivalent. Es hat einerseits Russland seiner „felsenfesten Freundschaft“ versichert und die „relevanten Informationen aus Moskau zur Kenntnis“ genommen (= das Geschwurbel über die Befreiung der Ukraine von Neonazis ff.). Und es hat andererseits zu großer Zurückhaltung und zur Beendigung des „Krieges“ aufgerufen, den es in der russischen Diktion ja gar nicht gibt. Es hat sich im UN-Sicherheitsrat bei der Verurteilung des Überfalls auf die Ukraine der Stimme enthalten. Und es liefert zum Leidwesen Russlands keine Ersatzteile für russische Flugzeuge und ist auch sonst – anders als nach der Annexion der Krim 2015 – noch nicht für Russland in die Sanktionen-Bresche gesprungen. Zu klein ist der russische Markt, als dass man es sich mit dem Weltmarkt verscherzen wollte.
Die in den letzten Wochen oft beschworene Achse des Bösen zwischen Peking und Moskau ist vermutlich nicht so fest geschmiedet, wie viele meinen.
In Wahrheit sitzt China erste Reihe fußfrei und wartet ab. Der Krieg ist weit weg und für das Reich der Mitte keine unmittelbare Bedrohung. Man schaut zu, wie sich der Westen die Zähne an einem atomar bestückten Aggressor ausbeißt – und zieht Rückschlüsse auf die eigenen Pläne mit Taiwan. Und: China hat schon Corona weit besser verdaut als der Rest der Welt, um nicht zu sagen: von Corona profitiert. Wenn Europa und die USA dann mit der Wirtschafts- und Wohlstandsvernichtung durch Wladimir Putin zu kämpfen haben werden, ist China auf der Überholspur zur Nummer eins der Welt gar nicht mehr aufzuhalten. Und das ist das Einzige, was China interessiert.

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