PRO
Viele von uns sind angesichts der Grausamkeiten, die in der Ukraine passieren, schwer schockiert. Der Krieg ist plötzlich so nah.
Die Bahnhöfe und Flüchtlingsquartiere füllen sich wieder, man leidet mit den vielen Menschen, die alles zurücklassen mussten, um ihr Leben zu retten. Man spendet und überlegt, was sonst noch helfen könnte.
Und tatsächlich bietet dieser Konflikt die Möglichkeit, auch persönlich ein Scherflein gegen den Aggressor beizutragen. Wenn schon die heimische Politik das Land in die russische Energieabhängigkeit manövriert hat, kann man zumindest persönlich versuchen, sich zu verweigern, so gut es geht. Also runter vom Gaspedal und rauf aufs Fahrrad, so oft es geht. „Radeln gegen Putin“, könnte der Schlachtruf lauten.
Die bevorstehenden Urlaubsreisen mit dem Zug statt mit Flugzeug und oder Auto zu planen, ist naheliegend. Generell könnte die Krise ein Anlass sein, den persönlichen Ressourcenverbrauch und sinnlose Verschwendung in unserem Alltag zu hinterfragen. Ein Sinnbild dafür sind die Mengen an Autofahrern, die in überdimensionalen Geländewagen durch brettelebene Wiener Bezirk kutschieren, ohne Rücksicht auf Energie-, Luft- und Bodenverbrauch zu nehmen. Wenn schon die drohende Klimakatastrophe nicht für ein Umdenken gereicht hat, könnte vielleicht das Bewusstsein etwas bewirken, Putins Kriegsmaschinerie zu finanzieren.
Energie steckt so gut wie überall drinnen, auch in der Produktion von Lebensmitteln. Zudem liefert die Ukraine Weizen und Speiseöl, das jetzt in vielen Ländern vor allem Nordafrikas fehlen wird.
Es geht jetzt ums Teilen. Ohne zu teilen ist der Überfluss, in dem wir leben, angesichts der Ukraine-Katastrophe geradezu bedrückend.
Daniela Kittner ist Ressortleiterin der Innenpolitikredaktion-
CONTRA
"Frieren für den Frieden und die Ukraine.“ In den vergangenen Tagen mehrten sich Slogans und Aufrufe wie diese, etwa vom deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Dieser meinte: „Wer Putin schaden will, spart Energie.“
Eh nett, aber sehr naiv. Weil dem russischen Kriegsherrn das völlig wurscht ist, ob Menschen in Europa freiwillig auf Annehmlichkeiten verzichten. Dem Diktator in Moskau ist es ja auch egal, ob Menschen in der Ukraine oder auch im eigenen Land frieren. Und selbst groß angelegte Wirtschaftssanktionen scheinen ihn (noch) nicht zu beeindrucken. Selbst wenn alle Österreicher ihre Gasheizungen drosseln, wird das auf die Liefermengen der russischen Konzerne keinen relevanten Einfluss haben.
Die Österreicher hatten seit 2020 angesichts der Pandemie einige Entbehrungen hinzunehmen und infolge des Krieges wird die Stimmungslage nicht besser, eher im Gegenteil. Daher sind Aufrufe zur Einschränkung entbehrlich. Wen es bei 20 Grad Raumtemperatur friert, hat jedes Recht darauf, mehr einzuheizen. Und wer sich ein tägliches Vollbad gönnen will, kann dies auch weiterhin ohne schlechtes Gewissen tun.
Verwerflich wird es, wenn Umweltschützer den Krieg nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Stichwort 100-km/h-Beschränkung auf Autobahnen. Ja, der Spritpreis ist hoch. Aber es gibt keinen Engpass wie in der Ölkrise in den 70er-Jahren. Zudem war Treibstoff gemessen an den Einkommen in früheren Jahren schon deutlich teurer. Und die Effekte von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Verbrauch werden ziemlich überschätzt.
Kurzum: wer sich einschränken will, kann dies ja gerne tun, aber es bleibt sinnloser Aktionismus. Spenden für die Ukraine hilft ungleich mehr.
Robert Kleedorfer ist stellvertretender Ressortleiter der Wirtschaftsredaktion.
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