PRO
Selig sind die, die von der Zeitumstellung nichts mitbekommen: Handy, Computer, Funkuhren – sie alle stellen sich lautlos und ohne weiteren Ärger zu verursachen um. Was bleibt, ist das Gefühl, dass man seltsam früh vor der Zeit müde wird.
Selbst im Idealfall ist es ein nicht mehr nachvollziehbares Ritual, dass wir jeden Herbst früher in die Dunkelheit starten, als das laut Sommerzeit sein müsste. Aus den Innenräumen in die Finsternis – das ist Jahr für Jahr ein massiver Einschnitt in das seelische Wohlbefinden. Weniger Licht = weniger Serotonin=mehr Grant. Und auch weniger Sicherheitsempfinden, wenn man bei Dunkelgrau auf die Straße tritt, um in Finsternis daheim anzukommen. Dass heuer auch zahlreiche Leuchtkörper im öffentlichen Raum aus Spargründen ausfallen werden, macht das Üble nur Schlimmer.
Die Sommerzeit wurde eingeführt, um Energie zu sparen: Wo mehr Tageslicht vorhanden ist, wird weniger Strom verbraucht. Spannenderweise hat man damit eine sinnvollere Standardzeit als die bis dorthin geltende (reguläre) Winterzeit geschaffen: Im Hochsommer wird es erst gegen 22.00 Uhr dunkel, was dem Lebensgefühl den gegenteiligen Effekt zum Dauerdunkel ab November beschert.
Wie weit der Gedanke des Energiesparens in der Knappheit führen kann, zeigte die Nachkriegszeit in Deutschland, wo man für 1947 für wenige Wochen sogar zwei Stunden nach vorne stellte, um besonders effizient zu sein. Eine doppelte Sommerzeit? Alles lieber als die Winterzeit.
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte.
CONTRA
Beim Aufstehen ist es nicht mehr stockfinster, sondern vergleichsweise hell. Ein Segen. Zu verdanken ist das der halbjährlichen Zeitumstellung, die ebenso halbjährlich zu Diskussionen führt, ob man sie nun beibehalten soll oder nicht. Ja, man soll. Abgeschafft gehört vielmehr die leidige Debatte darüber.
Vielleicht spürt man ein, zwei Tage Nachwehen wegen der Umstellung – dafür hat man im Sommer lange Abende im Hellen und im Winter muss man nicht den ganzen Vormittag bei künstlichem Licht (die Energiekrise lässt grüßen) sein Dasein fristen.
Eine Onlineumfrage der EU-Kommission aus dem Jahr 2018 wird von Gegnern der Zeitumstellung oft ins Treffen geführt. Immerhin haben sich dabei 84 Prozent für eine Abschaffung ausgesprochen. In Wahrheit zeigt die Umfrage vieles, aber mit Sicherheit nicht, was sich die Mehrheit der Europäer wünscht.
Die Teilnehmeranzahl war nämlich mehr als überschaubar. In Italien nahmen etwa nur 0,04 Prozent der Bevölkerung teil. Die mit Abstand meiste Beteiligung gab es in Deutschland (3,79 Prozent) und Österreich (2,94 Prozent). Ob man hierzulande wirklich am meisten leidet oder einfach nur sehr gern jammert, kann jeder für sich selbst beantworten.
Die Frage ist gesamtgesellschaftlich gesehen irrelevant, der politische Einsatz dafür reiner Populismus. Bei vielen anderen Dingen stehen die Zeiger hingegen auf fünf vor zwölf. Dort würde es sich mehr lohnen, auf die Uhr zu schielen.
Agnes Preusser ist stv.Chronik-Ressortleiterin
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