PRO
Wer krank ist, soll zu Hause bleiben. Eine Quarantäne von symptomfrei Infizierten ohne bestehende Teststrategie ist seit dem Wegfall der Maßnahmen ohnehin obsolet. Wer Corona ohne Symptome hat, weiß im Normalfall nicht, dass er überhaupt infiziert ist. Die wenigsten machen derzeit Gebrauch von ihren fünf monatlichen Gratistests, sofern es nicht irgendwo kratzt und schmerzt. Insofern läuft eine verpflichtende Quarantäne für fünf Tage bei diesen Menschen schon seit Wegfall der Testpflicht ins Leere, weil sie schlichtweg nicht wissen, dass sie überhaupt Corona haben.
Wer symptomfrei ist und dennoch einen Corona-Test durchführt, hat in der Regel einen Grund dafür. Etwa ein Besuch bei den Großeltern. In diesem Fall würde man mit einem positiven Testergebnis von dem Besuch ablassen, egal ob es eine Quarantäneregelung gibt oder nicht. Sonst hätte man den Test vermutlich gar nicht gemacht. Wer wissentlich infiziert andere Menschen umarmt und küsst, sieht für einen Test wohl keinen Grund und hat auf anderer Ebene Probleme, die auch mit einer verpflichtenden Quarantäne nicht behebbar sind.
Statt der Verpflichtung zu Hause zu bleiben, sollte man Menschen eher dazu motivieren, im Krankheitsfall generell von der Arbeit fernzubleiben. Das Argument, dass Personalengpässe der Grund für den Wegfall einer Quarantäne sein sollen, ist daher der falsche Ansatz. Es impliziert, dass Menschen, die „sich gut genug fühlen“, besser zur Arbeit kommen sollen. Was wir brauchen, ist ein Klima, das es kranken Menschen erlaubt, einige Tage zu Hause zu bleiben. Wer sich „gut genug“ fühlt, kann in vielen Fällen auch aus dem Homeoffice arbeiten. Dafür braucht man keine Quarantäneregelung, die zwei, fünf oder sieben Tage vorschreibt.
Monika Lucia Müller ist Redakteurin im Ressort Lebensart des KURIER.
CONTRA
Haben Sie auch Erinnerungen an frühere Zeiten, als Kolleginnen oder Kollegen trotz heftiger Verkühlung, starken Niesens und Hustens sich an den Arbeitsplatz geschleppt haben? Und davor gewaltige Aerosolwolken in Bim, Bahn und Bus verteilt haben? Schon vor Corona wäre es besser gewesen, sie wären zu Hause geblieben.
Und jetzt? Würde man die zumindest fünftägige Absonderung für positiv Getestete komplett aufheben: Wer garantiert, dass das Argument der Vernunft, mit Symptomen daheimzubleiben, immer über andere persönliche Argumente siegt? Und wenn eine Lockerung offiziell nur für Symptomlose gelten würde: Wie groß wäre die Fraktion derer, die sich persönliche Definitionen zulegen, was für sie symptomlos ist und es da nicht so genau nehmen? Oder auch unter Druck nicht so genau nehmen können, weil sie um ihren Job fürchten?
Wir heben zuerst fast alle Corona-Schutzmaßnahmen auf und wundern uns dann, wenn Menschen krank werden. Die Folge ist aber nicht, darüber nachzudenken, ob es vielleicht nicht doch besser wäre, generell in öffentlichen Verkehrsmitteln oder vollen Innenräumen Masken vorzuschreiben, sondern man will es Infizierten erleichtern, außer Haus zu gehen. Diese Strategie kann rasch nach hinten losgehen. Spätestens dann, wenn mehr Infektionen auch in Spitäler eingeschleppt werden.
Natürlich ist der Wunsch, alles solle wieder so sein wie vor 2020, verständlich. Aber die derzeit noch mehrfachen Wellen das ganze Jahr hindurch zeigen einfach, dass wir – leider – noch nicht so weit sind. Gerade die Wirtschaft würde am meisten davon profitieren, wenn wir frühzeitig mit halbwegs gelinden Maßnahmen versuchen, Infektionsketten zu unterbrechen und nicht mit riskanten Strategien möglicherweise befördern.
Ernst Mauritz ist stv. Ressortleiter im Ressort Lebensart.
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