PRO
Mit Bürgerschreck-Methoden ist in der Aufmerksamkeitsökonomie des Kulturbetriebs heute nichts mehr zu gewinnen – mit der Zurschaustellung moralischer Überlegenheit sehr wohl. Das ist die Logik des Empörungsgetöses, das heute jede größere Kulturveranstaltung begleitet. Vertreterinnen marginalisierter Gruppen werden darin nur gehört, wenn sie sich der „richtigen“ Sprache bedienen – jener der Elite.
Dass HipHop, zumindest den Wurzeln nach eine Kultur der Straße, eine andere Sprache spricht, hat die Schicht, die für sich selbst eine besondere Fähigkeit zur Differenzierung beansprucht, nie ganz verstanden. Auch nicht, dass abwertende Ausdrücke in dieser Kultur oft nicht ganz wörtlich zu nehmen sind. Bei Yung Hurn wird nun jeder Ausdruck gewogen: „Bitch“ etwa bedeutet im Wortsinn „läufige Hündin“, damit eine Frau zu bezeichnen – das geht ja gar nicht!
Meine Generation erinnert sich noch an die Rapgruppe „2 Live Crew“, die Anfang der 1990er mit klar sexistischen Texten auffiel – und gerichtlich gegen ein Verbot zu Felde zog. Das Argument des Produzenten Luther Campbell war, dass auch profane, aber im Slang nicht unübliche Texte vom Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt seien. Dieses Recht dürfe nicht selektiv – hier konkret zum Nachteil von Schwarzen – gelten.
Man darf natürlich fragen, was derlei Liedgut auf einem öffentlich finanzierten Kulturfestival zu suchen hat. Doch dann muss man auch fragen, ob eine Veranstaltung wie die Festwochen wirklich „für alle“ da sein will, oder ob es doch wieder nur darum geht, die Reinheit einer Hochkultur zu zelebrieren. Der Widerspruch der heutigen Kulturwelt liegt darin, dass sie Inklusion predigt und Exklusivität praktiziert. Wer es mit der Offenheit ernst meint, muss auch einen pöbelnden Rapper aushalten.
Michael Huber ist Redakteur im Ressort Kultur & Medien.
CONTRA
Sie hat Wichse im G’sicht, sie braucht Zewa“ oder „Asia-Bitch heißt Ling-Ling“. Soll ein Künstler, der solche Texte in seinen Songs verwendet, die Wiener Festwochen eröffnen? Diese Frage hat für heftige Diskussionen gesorgt. Der Wiener Schmusechor hat via Social Media mitgeteilt, ebenfalls für die Eröffnung angefragt worden zu sein – und abgesagt zu haben. Wegen Yung Hurn. „Wir wollen nicht mit einem Künstler auf der Bühne stehen, dessen Texte unmissverständlich sexistischen und rassistischen Inhalt haben“, hieß es in dem Posting.
Fans und viele, die man nicht dafür gehalten hätte, verteidigten den Rapper: Das sei doch alles ironisch und gehöre zur Kunstfigur.
Aber ob mit oder ohne Ironie – in den Lyrics werden höchst problematische Inhalte reproduziert: Frauen kommen da hauptsächlich als „Bitches“ vor, die reiten „wie ein Pony“ oder Pflaster tragen, „weil diese Pu ganze Nacht bei mir war“.
Vor mehreren Jahren wurde eine Musikjournalistin mit Gruppenvergewaltigung bedroht – Yung Hurn nannte öffentlich ihren Namen und befeuerte die Drohungen dadurch zusätzlich. Respektvoller Umgang mit Frauen sieht anders aus.
In sozialen Medien orteten manche in der Kritik an seinem Festwochen-Auftritt die gefürchtete „Cancel Culture“. Jetzt dürfe man ja gar nichts mehr! Dabei geht es nicht um Verbote. Aber man kann sich als Gesellschaft auch weiterentwickeln und nach #MeToo und angesichts massiver Probleme mit Gewalt gegen Frauen die Ansprüche an die Popkultur überdenken. HipHop gibt es mittlerweile auch in anderem Tonfall. Und wer über eine große Bühne wie jene der Festwochen entscheiden kann, sollte sich überlegen, ob es nicht an der Zeit wäre, diese jenen zu überlassen, die sonst nur als Objekte in den Songtexten anderer vorkommen.
Nina Oberbucher ist Medienredakteurin.
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