Soll die 1-G-Regel eingeführt werden?
Aus 3-G wird 1-G: Nur mehr wer Geimpft ist, soll Zutritt zu Veranstaltungen, Restaurants, oder Fitnessstudios erhalten, geht es nach den Befürwortern. Ist das zumutbar? Eine Abwägung.
PRO
Irgendwann ist dann auch Schluss mit Esoterik: Wer im Jahr zwei der Pandemie immer noch zögert, ob ein zugelassener (!) Impfstoff gegen Corona mit der eigenen Komfortzone vereinbar ist, wird irgendwann realisieren müssen: Die Gesellschaft ist weitergezogen.
Es ist schlicht nicht zumutbar, dass das Land auf neue Lockdowns zusteuert, weil erwachsene Menschen Prinzipien der Vernunft ignorieren. Fakt ist: Wenn sich genug Menschen impfen lassen, ist Corona ein vernachlässigbarer Faktor.
Wahr ist auch: Diejenigen, die schwer krank auf Intensivstationen liegen, sind vor allem jene, die sich bisher noch nicht die Zeit genommen haben, einen Impftermin wahrzunehmen. Oder das Thema überhaupt ablehnen, weil sie Alternativen für glaubwürdiger halten als nüchterne Fakten. Sie werden eben bestimmte Orte, Restaurants und Bars nicht mehr aufsuchen können, solange sie sich der Schulmedizin verweigern.
Der Gesundheitsminister hat recht, wenn er sagt, dass man 1-G (Nur Geimpfte haben Zutritt) erst einführen solle, wenn die Infektionszahlen ein bedenkliches Niveau erreicht haben. Und wenn alle die Möglichkeit hatten, sich Impfen zu lassen. Ersteres ist eine Frage der Zeit.
Welche Schwelle man für die zweite Bedingung formuliert, ist eine Fragestellung, die immer näher rückt. Schließlich kann man sich ab sofort schon in Supermärkten Impfen lassen. Im Stephansdom, vor einer Moschee. Kurz gesagt: Das wird eher morgen als übermorgen Thema.
Bloß: Solange der Grüne Pass nur per Schulterzucken („Haben Sie eh oder?“) kontrolliert wird, müssen wir über 1-G nicht nachdenken. Aber auch 3-G („Geimpft, Getestet oder Genesen“) sollten wir besser abschaffen. Und lieber zusperren, bis sich der Spuk vielleicht doch selbst erledigt. Vielleicht hilft ja Beten.
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte im KURIER.
CONTRA
Die vierte Welle ist angelaufen. Und auch, wenn Experten damit rechnen, dass es wieder strengere Maßnahmen brauchen wird, um die Intensivstationen zu entlasten, sind die Voraussetzungen andere als vor einem Jahr: Wir haben einen Impfstoff, der gut funktioniert. Bereits mehr als jeder Zweite in Österreich ist vollimmunisiert, in den besonders gefährdeten Gruppen der Älteren ab 65 Jahren sind es je nach Alter 80 bis 90 Prozent.
Jetzt eine 1-G-Regel einzuführen, also nur noch Geimpften Zutritt zu Lokalen, Fitnessstudios, Veranstaltungen etc. zu gewähren, wäre das falsche Signal. Denn viele, die bisher nicht geimpft sind, lassen sich nicht über Zwang erreichen. Für sie ist die 1-G-Regel eine Impfpflicht durch die Hintertür, die sie ablehnen.
Vielmehr sollte man sich die Frage stellen, warum sich Menschen nicht impfen lassen wollen und versuchen, dort anzusetzen. Auch Belohnungen, entweder direkt über Gutscheine oder Lotterien, wie es in anderen Ländern bereits vorgezeigt wird, können gute Effekte, vor allem bei jungen Menschen, haben.
Wenn Ungeimpfte jetzt ausgeschlossen werden – und das passiert mit der 1-G-Regel – stärkt das nicht nur die ohnehin wachsende Teilung der Gesellschaft in Geimpfte und Impfgegner. Es führt möglicherweise sogar dazu, dass Ungeimpfte die Impfung noch mehr ablehnen.
Die bestehende 3-G-Regel wurde bisher sehr gut angenommen. Sie sollte beibehalten, aber stärker kontrolliert werden. Wer nicht geimpft oder genesen ist, kann weiterhin die gut ausgebauten Testkapazitäten nutzen.
Die Tests für Ungeimpfte nicht mehr gratis anzubieten, wäre ein Schritt, der sanft Druck ausübt, sich impfen zu lassen, lässt aber dennoch die Option, dies nicht zu tun. Das Infektionsgeschehen bleibt aber kontrolliert.
Elisabeth Gerstendorfer schreibt für das Ressort Lebensart.
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