PRO
Es stimmt, es wirkt etwas lächerlich, wenn der Bundespräsident plötzlich unmotiviert auf Tiktok vor sich hin tänzelt oder sich im Videoclip selbst interviewt. Insbesondere, weil in diesem Wahlkampf vom Amtsinhaber inhaltlich wenig geboten wurde. Von seinen Herausforderern sowieso nicht. Dennoch ist ein lauer Wahlkampf kein hinreichendes Argument gegen die Volkswahl.
Hans Kelsen hat in der Verfassung ein Machtparallelogramm aus Parlament, Bundespräsident, Regierung und Verfassungsgerichtshof geschaffen, das ohne Direktwahl des Staatsoberhaupts seine fein austarierte Balance verlieren würde. Erst die Tatsache, dass das Staatsoberhaupt die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat, verleiht ihm bei den Parteien und anderen Politikern den nötigen Respekt (dem er allerdings auch gerecht werden muss). Van der Bellen hat seine Autorität mehrfach gebraucht: er hat ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs vollstreckt; er hat einen unqualifizierten Günstling im Höchstgericht verhindert (gegen Postenschacher hätte er mehr tun können).
Anstatt die Volkswahl infrage zu stellen, sollte man lieber darüber nachdenken, wie man mehr qualifizierte Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft zur Kandidatur ermuntern könnte. Ein geringer Wahlkampfkostenersatz wäre sicher hilfreich – und ein Dienst an der Demokratie. Das sieht man am Beispiel Irmgard Griss. Sie ist Van der Bellen vor sechs Jahren unterlegen, aber bis heute eine wertvolle Stimme geblieben.
Daniela Kittner ist Innenpolitik-Redakteurin.
CONTRA
Wie oft wurde in den vergangenen Wochen darüber diskutiert, dass die Bundespräsidentenwahl eine Farce ist, weil ÖVP und SPÖ es nicht wert finden, Kandidaten aufzustellen? Allen staatstragenden Argumenten zum Trotz haben sich in diesen beiden Parteien jene Kräfte durchgesetzt, die mehr auf ihre Wahlkampfkassen als auf ihre demokratische Verpflichtung schauen. Immer mit dem Argument, dass es speziell bei der Wiederwahl des Bundespräsidenten ziemlich aussichtslos ist, erfolgreich eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Das wird auch bei den kommenden Wahlgängen nicht anders sein.
Das Ergebnis davon sieht man bei der aktuellen Bundespräsidentenwahl. Bis auf Walter Rosenkranz gibt es keinen weiteren Kandidaten, der eine kräftige Partei hinter sich hat. Dementsprechend verläuft der Wahlkampf, dementsprechend zeigen die Umfragen, wie chancenlos die Gegner von Alexander Van der Bellen sind. Was die Sinnhaftigkeit eines solchen Wahlgangs infrage stellt.
Bis zum Jahr 1929 sah die Verfassung vor, dass der Bundespräsident von der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) gewählt wird, erst danach wurde die Direktwahl durch das Volk verankert. Das könnte auch wieder geändert werden, um dem Land solche Wahlgänge wie die aktuelle Auseinandersetzung zu ersparen. Die Macht des Bundespräsidenten wäre auch dann gegeben, wenn – ähnlich wie in Deutschland – die Volksvertreter dem Volk die Wahlentscheidung abnehmen.
Martin Gebhart ist Innenpolitik-Redakteur.
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