PRO:
Andrerseits a so a Nackerter, hat a sein Reiz. Mach ma halt a Ausnahm’, san wir heut net grausam . . .“ (Singen Sie bitte à la Georg Danzer weiter, vielleicht sogar im Hawelka.)
Also nackte Oberkörper im öffentlichen Raum. Jeden heißen Sommer ein Grund zur halböffentlichen Empörung, weil irgendwann rennt immer irgendwer bei 30 Grad und fünf Krügerl aufwärts halb nackt durch irgendeine Stadt.
Grundsätzlich ist es in Österreich nicht per se verboten, am Gehsteig mit Brust und Bauch blank zu ziehen. Wir sind ja nicht Italien, wo etwa Chioggia bei Venedig sich nur mit einem Verbot gegen halb nackte Touristen – explizit beiderlei Geschlechts – abseits des Strandes wehren konnte, heuer folgte etwa auch Lignano. (Waren da auch Gäste aus Österreich darunter, die Anlass zum Erlass dieser Verordnung gaben? Das ist nicht überliefert.)
Ob es hübsch ist, fremde nackte Bäuche außerhalb des Freibades oder der Sauna sehen zu müssen? Nein, aber das ist eine andere Debatte und jede Antwort darauf automatisch sexistisch.
Doch abgesehen davon, dass das halb nackte Herumlaufen eine rein männliche Vorliebe zu sein scheint (selbst wenn eine Frau beim Laufen im Sommer ihr verschwitztes Leiberl ausziehen würde, trägt sie immer noch einen breiten Sport-BH auf der Haut): Wenn dies das dringlichste Problem einer Gesellschaft ist, dass im Hochsommer ein paar Menschen ohne Oberbekleidung herumlaufen, geht es dieser Gesellschaft doch ziemlich gut. Dann immer her mit den Halbnackerten.
Elisabeth Holzer-Ottawa Chronikredakteurin
CONTRA:
Letztens in der U6 saß ich nichts ahnend, was gleich passieren würde, in einer der Garnituren gen Wien Meidling. Es war eine dieser Garnituren, die angeblich klimatisiert sind (deren Existenz ich allerdings für eine urbane Legende halte). Jedenfalls war es heiß, extrem heiß. Mein rechter, rechter Platz war leer, den Mann, der sich bei der Station Währinger Straße neben mich setzen würde, hatte ich mir aber nicht herbeigewünscht.
Schon als er einstieg, fiel er auf. Oben ohne, was die Blicke auf sein Prachtexemplar von Bierbauch lenkte. Schweißperlen liefen daran herunter und ließen seine Tattoos im Sonnenlicht glänzen. Er steuerte auf mich zu und setzte sich breitbeinig neben mich – die Masse um die Körpermitte fordert schließlich Platz.
Abgesehen vom „Duft“ der in meine Nase zog, war ich irritiert, als sein verschwitzter Oberarm, den meinen berührte. Das Aussteigen am Bauch vorbei, forderte enormen Gleichgewichtssinn, um nicht auch noch andere Körperstellen mit Schweiß zu benetzen. Muss das sein? In der U6 ist es nicht einmal erlaubt, ein trockenes Semmerl zu essen. Mit Schweiß beschmiert zu werden, ist aber in Ordnung?
Wenn Sie jetzt denken, es hätte mich nicht gestört, wenn mein Sitznachbar einen Waschbrettbauch gehabt hätte, dann irren Sie. Es geht nicht um eine vermeintlich schöne Optik. Es geht darum, auch fremden Menschen in der Stadt respektvoll zu begegnen. Dazu zählt in einer zivilisierten Gesellschaft das Tragen von Kleidung – egal, wie heiß es ist.
Birgit Seiser Chronikredakteurin
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