PRO
Es ist heute bereits Tag 5 bei den Olympischen Winterspielen – und ich habe noch keine Übertragung aus Peking live mitverfolgt. Dabei bin ich Frühaufsteher und auch am Wintersport grundsätzlich (passiv) interessiert. Mich stößt aber zunehmend die Gigantomanie, die Rücksichtslosigkeit der Organisatoren gegenüber der Natur und vor allem die Vereinnahmung des Sports durch politische sowie wirtschaftliche Interessen ab. China ist nur ein Beispiel auf dem langen Umweg, der uns in diesem Jahr noch zur Fußball-WM nach Katar führen wird, wo man beim Bau der Stadien Menschenrechte mit Füßen getreten hat.
Und dann so eine Großveranstaltung in unseren Breitengraden? Ja, doch!
Weil das eine der letzten Chancen sein könnte, um die alte olympische Idee neu zu befeuern. Sportliche Wettkämpfe in drei Nachbarländern, die seit Jahren gut miteinander auskommen, in Arenen, die nicht extra in den Berg gesprengt werden müssten – die kämen dem Ur-Gedanken der Spiele zumindest nahe.
Gelänge es bis zum Entzünden des olympischen Feuers auch noch, den grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehr mit mehr Überzeugung zu fördern, Investitionen in die Kultur- und Bildungseinrichtungen zu forcieren und diesen schönen Landstrich inmitten der EU mit weiteren nachhaltigen touristischen Angeboten auszustatten, könnte sich am Ende fast eine schwarze Null ausgehen.
Durch die Versäumnisse beim Bau von angemessen großen Fußballstadien wird es eine Fußball-WM in Österreich so bald nicht spielen. Bleibt nur der Event im Winter. Auf die Frage, was denn für Olympische Spiele in Hamburg spricht, meinten viele: Gute Werbung für den Standort. Das wäre auch so bei Kärnten.
Und wer weiß, vielleicht hätte auch noch jemand die Königsidee, wie sich das sinnlos schöne Stadion am Wörthersee in ein Gesamtkonzept eingliedern ließe.
Uwe Mauch ist Redakteur in der Lebensart.
CONTRA
Es beginnt wieder so, wie es nicht beginnen sollte. Ein Politiker stellt sich vor ein Mikrofon und ist Feuer und Flamme für Olympische Spiele. Es folgen schöne, inhaltsleere Sätze mit jeder Menge Pathos und Patriotismus. Kein Wort aber zu den Milliarden-Ausgaben, die trotz einer ordentlichen Wintersport-Infrastruktur drohen. Kein Wort dazu, wie die betroffenen Regionen langfristig von Olympia profitieren sollen. Kein Wort zur Einbindung der Bevölkerung.
So lässt sich Olympia in der westlichen Welt nicht mehr an Mann und Frau bringen. Oslo, Graubünden, Hamburg, München, Graz oder Innsbruck – die Liste der Orte, die der olympischen Bewegung zuletzt eine deutliche Absage erteilt haben, ist lang und prominent. Die bloße Ankündigung von renommierten Sportveranstaltungen reicht längst nicht mehr aus, um eine aufgeklärte Gesellschaft dafür zu begeistern. Erst recht dann nicht, wenn jede Sportübertragung zu jeder Zeit lediglich einen Wisch am Mobiltelefon entfernt ist.
Am Reiz von Olympischen Spielen liegt das nicht. Sie sind noch immer eines der wenigen Menschheitsereignisse – exklusiv und groß, zeitgleich aber dennoch nahbar aufgrund der vielen menschlichen Geschichten. Das zeigt sich gerade wieder in China. Warum viele Menschen persönlich dennoch Ringen mit den olympischen Ringen hat vor allem mit den Machern zu tun. Es kommt einer Verhöhnung gleich, wenn das Internationale Olympische Comité in seiner „Agenda 2020+5“ mit Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit wirbt und ein paar Monate später jeden demokratie- und umweltpolitischen Verstoß der chinesischen Gastgeber totzuschweigen versucht.
Olympia ist nie vom Austragungsort zu trennen, in Europa hätte man es leichter. Doch auch hier braucht es zunächst die richtigen Worte und Taten.
Philipp Albrechtsberger ist Leiter des Sport-Ressorts.
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