PRO
Diese Vorhersage war recht simpel: Nach den Herbstferien wird es einen erneuten Anstieg bei den Inzidenzen geben. Denn die bisher am verlässlichsten getestete Bevölkerungsgruppe hatte eine Woche Testpause.
Wie bestellt schnellten die Coronakurven im Anschluss nach oben: Bis Ende der Schulwoche hatten sich die Fälle mehr als verdoppelt. Die Folgen: Geschlossene Klassen und Hortgruppen, an Corona erkrankte Kinder. Stabilität in Zeiten der Pandemie. Es ist ja wunderbar sympathisch (und sinnvoll), dass wir den Ninja-Pass haben, aber die Comicfigur schützt nur indirekt vor den immer gleichen Folgen: Unterricht zu Hause und stetes Ansteckungsrisiko.
Die europäische Arzneimittelagentur will bis Weihnachten darüber entscheiden, ob auch Fünf- bis Elfjährige mit dem Covid-Vakzin von Biontech/Pfizer geimpft werden können. Bei einer Zulassung bedeutet das für diese Altersgruppe die Erstimpfung frühestens im Jänner. Das sind wertvolle Wochen, die wir nüchtern betrachtet schon seit Monaten nicht mehr haben.
Es gibt die Möglichkeit, „Off-Label“ – sprich: ohne Zulassung der Behörden – zu impfen. Bisher war das ein ziemlicher Blindflug, aber auch hier lichten sich die Nebel: Die US-amerikanische Behörde FDA hat den Impfstoff von Biontech/Pfizer bereits Ende Oktober für die Fünf- bis Elfjährigen zu gelassen: Die Wirksamkeit lag demnach bei 90,7 Prozent, schädliche Nebenwirkungen blieben in der untersuchten Gruppe aus.
Neben dem erhöhten Schutz vor einer Infektion hat der Impfschutz noch einen weiteren Vorteil für Schulkinder: Sie müssen im Fall von erkrankten Mitschülern nicht mehr in Quarantäne.
Die Abwägung sollten Eltern und Kinder gemeinsam vornehmen. Die Entscheidungshilfen sind jedenfalls da.
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte im KURIER.
CONTRA
Vertrauen ist beim Impfen das höchste Gut. Anders als andere Arzneien werden Impfungen gesunden Menschen verabreicht. Umso wichtiger, dass sie keinen Schaden anrichten, wo es nichts zu kurieren gibt. In der EU prüft die Europäische Arzneimittelagentur, die EMA, Medizinprodukte auf ihre Sicherheit. Daten aus Zulassungsstudien zu sichten, ist ein aufwendiger Prozess.
Solide Prüfverfahren brauchen Zeit. Aktuell stecken die Expertinnen der EMA mitten in der Begutachtung des Antrags des Impfstoff-Hersteller-Duos Biontech/Pfizer, das die Freigabe seines Covid-Vakzins für die Gruppe der Fünf- bis Elfjährigen beantragt hat. In den USA gab es vor zwei Wochen grünes Licht dafür. Dass die EMA in Kürze nachzieht, gilt als fix.
Noch ist es nicht so weit. Viele Eltern wollen aber nicht mehr warten. Verständlich: Die Infektionszahlen explodieren, außer Tests haben Mütter und Väter praktisch nichts in der Hand, um ihren Nachwuchs zu schützen. Nach der US-Zulassung wurden niedergelassene Kinderärztinnen hierzulande teils flutartig mit Impfanfragen konfrontiert. Mit der Impfstraßenöffnung für Fünf- bis Elfjährige hat die Stadt Wien auf die Nachfrage reagiert.
Formal wird die Impfung kleineren Kindern dort außerhalb des zugelassenen Gebrauchs (Off-Label) verabreicht. Das ist möglich, untergräbt aber die Entscheidungskompetenz der EMA. Familien in anonyme Impfstraßen zu schicken, ist auch nicht optimal. Potenziellen Spritzenängsten der Kleinen und unvorhergesehenen Zweifeln der Großen kann in Ordinationen besser begegnet werden. Lähmendes Schlangestehen, fremde Ärzte – keine angenehme Atmosphäre. Und: Kinder sind medizinisch gesehen keine kleinen Erwachsenen. Impfungen müssen genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sein. Das Urteil der EMA garantiert genau das – darauf lohnt es sich zu warten.
Marlene Patsalidis ist Redakteurin im Ressort Lebensart.
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