PRO
Am sinnvollsten ist es, die Welt so zu sehen, wie sie ist, und nicht so, wie man sie gerne hätte. Wie sie ist: Bei weitem keine Mehrheit, aber immer mehr Menschen essen weniger Fleisch, aus vielen guten Gründen. Diese Realität verändert das, was auf den Tisch kommt: Es gibt Ersatzprodukte, die aussehen wie Fleisch (schließlich mögen die meisten Menschen Fleisch, manche wollen es halt nicht essen), und wunderbare Gerichte, die ohne Fleisch auskommen. So weit, so Fakt.
Dass Fleisch aus dem Labor in diesem neuen Nahrungsmix auch nur in mittlerer Zukunft eine riesengroße Rolle spielt, ist nicht zu erwarten. Trotzdem ist das im Prinzip eine Idee, die verfolgenswert ist: Fleisch mit weniger Klimaschaden und ohne Tierleid ist für manchen sicher eine interessante Option. Warum auch nicht? Labor bedeutet nicht synthetisch. Wenn das mal klappt, ist der Laborfleischburger vom echten wahrscheinlich kaum zu unterscheiden. Ich würde das essen, genauso wie einen Insektenburger (hatte ich schon, ist okay) – denn was wir essen, ist ohnehin in der Hauptsache Konvention. Maden nein, Shrimps ja? Nüchtern betrachtet, macht das keinen Sinn.
Was nicht dagegen spricht, die Sorgen der Landwirte ernst zu nehmen. Aber auch hier tut sich eine Chance auf. Nahrung ist ein emotionales Thema. Für ganz viele Menschen wird weiter ausgeschlossen sein, Laborzeugs zu essen. Und genau die werden umso bewusster natürliche, hochqualitative Nahrungsmittel kaufen. Und das bieten ohnehin nur die Landwirte.
Georg Leyrer leitet die Kulturredaktion
CONTRA
Es klingt nach der perfekten Lösung: Fleisch, das im Labor gezüchtet wird, ist umweltfreundlicher, ressourcenschonender, dämmt Massentierhaltung ein und könnte durch die Anreicherung mit Nährstoffen sogar gesünder sein als sein Pendant aus der konventionellen Produktion. Aber es gibt Haken, und zwar ganz schön viele.
Strukturelle zum Beispiel: Österreichs Landwirtschaft geriete noch stärker unter Druck, Bauern wären mit ihren Produkten nicht nur mit der Konkurrenz aus dem Ausland konfrontiert, sondern künftig auch noch mit dem Erzeugnis aus der Petrischale. Darüber hinaus reiht sich nur ein weiteres hochverarbeitetes Lebensmittel in den Supermarktregalen ein, von naturnaher Ernährung kann da keine Rede sein. Und es stellt sich freilich auch die Geschmacksfrage: Echtes Fleisch ist ein Genuss, wenn das Tier unter würdigen Bedingungen herangezogen wurde. Wie Laborfleisch schmeckt, bleibt abzuwarten, doch selbst wenn die Aromen zum Verwechseln ähnlich und unsere Sinne getäuscht würden, wissen wir doch: Natürlich ist das nicht.
Die Lösung des Problems ist eine andere: Lieber weniger Fleisch, dafür aber echtes in Form hochwertiger Qualitätsware und im Idealfall noch dazu aus der Region statt billige Massentierhaltungsschnitzel. Auch früher gab es in vielen Familien nur einmal pro Woche Fleisch, den klassischen Sonntagsbraten. Es ist Zeit für mehr Bewusstsein beim Fleischkonsum, ganz ohne technologische Mittel. So isst man besser.
Marlene Auer ist Chefredakteurin der KURIER-Freizeit und leitet das Lifestyle-Ressort
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