Pro und Contra: Ist ein Plagiat ein Rücktrittsgrund?
Sollen Ministerinnen und Minister zurücktreten, wenn ihnen Plagiate vorgehalten werden? Und: Wer trägt eigentlich die Verantwortung für misslglückte wissenschaftliche Arbeiten?
PRO
Was ist ein Plagiat? Man kapert die geistige Leistung anderer Menschen und gibt sie für die eigene aus. Würde man das, sagen wir, mit einem wertvollen Schmuckstück machen und dieses dann auch noch bei einer Bank als Sicherheit für einen Kredit hinterlegen, wäre die Sache klar: Man hätte sich des Delikts des Diebstahls gegenüber dem wahren Besitzer und des Delikts des Betrugs gegenüber der Bank schuldig gemacht.
Bei einer akademischen Abschlussarbeit, die abgeschrieben wurde, verhält es sich nicht anders. Die Bestohlenen sind die wahren geistigen Urheber. Und betrogen sind potenziell sehr viele: Jene, die der Expertise eines Akademikers vertrauen, jene, die dafür höhere Löhne oder Honorare bezahlen. Ein abgeschlossenes Studium bringt Prestige und Geld und eröffnet Karrierechancen. Ist der Abschluss erschwindelt, sind letztlich auch Prestige und Geld erschwindelt. Wenn der Abschluss Berufsvoraussetzung ist, ist sogar der Job erschwindelt.
Bei Politikern kommt noch die Vorbildwirkung dazu. Es geht nicht, Gesetze zu machen, oder, wie im Fall der Pandemie, gar großflächig in Grundrechte einzugreifen und ständig zu appellieren, sich an Vorschriften zu halten, wenn man selbst nicht ehrlich ist. Mit welchem Recht hätte Frau Aschbacher als Arbeitsministerin den Menschen lebenslanges Lernen gepredigt? Noch mehr stellt sich die Frage der ethischen Legitimation für eine Justizministerin, die von ihrer Partei zur Sauberkeitsgarantin stilisiert wird.
Das ist hier keine Vorverurteilung von Alma Zadić. Ihr Rücktritt wäre aber fällig, wenn sich herausstellt, dass ihre Arbeit tatsächlich ein Plagiat ist. Diesen Sachverhalt sollte eine öffentliche Kontrollinstanz klären, aber nicht die – befangene – eigene Uni und auch nicht ein selbst ernannter Privatgutachter.
Daniela Kittner leitet das Ressort für Innenpolitik im KURIER.
CONTRA
Cui bono? Wem nützt es? Eine der relevantesten Fragen, die in der öffentlichen Debatte allzu oft zu kurz kommt. Wer hat einen Nutzen davon, dass man in bereits benoteten und archivierten Arbeiten stöbert, um draufzukommen, dass Amtsträgerinnen und -träger die Zitierregeln womöglich nicht beachtet haben? Nun: Zunächst einmal jene, die auf die schnelle Schlagzeile aus sind. Das mögen selbst ernannte Plagiatsjäger sein, das können wir Medien sein. Dem Allgemeinwohl, dem gerade die öffentliche Debatte zwischen Journalismus und Politik verpflichtet ist, dient es nur bedingt.
Wer eine akademische Arbeit an einer zugelassenen Universität abliefert, hat professionelle Betreuer und gut und teuer ausgebildete Bewerter. Zur Prüfung von allfälligen Plagiaten wird standardmäßig eigene Software eingesetzt, um unzulässig abgeschriebene Stellen zu identifizieren. Am Ende eines hoffentlich erfolgreichen Prozesses sollte man sich also einer nachhaltigen Rechtssicherheit gewiss sein dürfen.
Dass die „Plagiatsaffären“ vor allem politisches Spitzenpersonal trifft, verschärft ein virulentes Problem nur weiter: Immer weniger top ausgebildete Leute tun sich die Knochenmühle eines Ministeramtes noch an. Wenn zu den Untiefen des Tagesgeschäfts noch (angebliche) Verfehlungen der Vergangenheit thematisiert werden: Wer wäre so blöd, sich die eigene Laufbahn nachhaltig desavouieren zu lassen? Ein politischer Job kann von heute auf morgen weg sein, das hat uns das Dreikanzlerjahr 2021 eindrucksvoll vor Augen geführt. Wenn sich Ministerinnen und Minister auch noch öffentlich die Frage gefallen lassen müssen, ob sie überhaupt Akademiker sind, werden ihnen nach dem Ausstieg die Karrierechancen verhagelt. Dann lieber gleich Privatwirtschaft.
Philipp Wilhelmer leitet die Debatte im KURIER.
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