PRO
Ich wurde in Mödling als Türkin geboren. Bis ich zur „Österreicherin“ wurde, dauerte es noch ein paar Jahre. Erst als ich in der Volksschule war, Anfang der 2000er-Jahre, beantragten meine Eltern die österreichische Staatsbürgerschaft. Ich bin froh, dass sie es damals gemacht haben. Denn heutzutage würden weder ich noch sie die Voraussetzungen erfüllen. Sie, weil sie nicht genug verdienen – die Einkommensgrenze liegt nach Abzug der Wohnkosten und sonstigen Aufwendungen wie Kreditrückzahlungen monatlich netto bei 1.030,49 Euro für Einzelpersonen und 1.625,71 Euro für Familien. Und bei mir würde es schon daran scheitern, dass ich in den letzten sechs Jahren keine regelmäßigen eigenen Einkünfte im Durchschnitt von 36 Monaten vorweisen kann. Als 26-Jährige, die in den letzten sechs Jahren studiert hat, ist das auch eher schwierig.
In den letzten Jahren wurden die Einbürgerungsgesetze deutlich verschärft. Für viele Menschen in diesem Land ist eine Staatsbürgerschaft, vor allem aus finanziellen Gründen, unmöglich geworden. Betroffen sind vor allem Frauen in systemrelevanten, aber unterbezahlten Berufen. Das müsste nicht so sein.
In den USA bekommt etwa jedes Kind unabhängig von den Eltern die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, wenn es dort geboren wird. In Deutschland tritt das sogenannte „Ius Soli“ automatisch ein, wenn sich ein Elternteil seit über acht Jahren dort rechtmäßig aufhält. Bei unseren Nachbarn darf man übrigens auch schon nach acht Jahren Hauptwohnsitz die Staatsbürgerschaft betragen – nicht wie bei uns erst nach zehn.
Internationale Beispiele, wie man fairer mit Einbürgerungen umgehen könnte, gibt es viele. Aber in Österreich zieht man es vor, die Staatsbürgerschaft als elitären Klub zu handhaben, und nicht als ein Bündel von Rechten zu sehen.
Naz Küçüktekin ist Redakteurin bei „Mehr Platz“.
CONTRA
Wenn nicht gerade über die Neutralität diskutiert wird, dann ist die Staatsbürgerschaft an der Reihe. Vor einem Jahr hatte sich die SPÖ mit ihrem Vorschlag, die Einbürgerungen zu erleichtern, innenpolitisch eine blutige Nase geholt. Selbst in den eigenen Reihen war man nicht geschlossen dafür, dass das Erlangen der Staatsbürgerschaft erleichtert wird. Jetzt war Bundespräsident Alexander Van der Bellen an der Reihe, raschere Einbürgerungen zu fordern. Mit genauso wenig Erfolgsaussichten, weil so etwas nicht einmal ansatzweise im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen zu finden ist.
Es gibt auch keinen wirklichen Anlass, jetzt plötzlich an den Rahmenbedingungen für das Erlangen der Staatsbürgerschaft zu rütteln. Dass man im Normalfall zehn Jahre unbescholten in Österreich leben muss, mag strenger als in so manchem anderen EU-Staat sein. Es ist aber ein wichtiges Zeichen, dass es nicht zu einfach sein darf, den österreichischen Pass zu erhalten. Es gibt ohnehin genug Ausnahmen, mit denen man diese Frist umgehen kann.
Durchschnittlich werden pro Jahr rund 10.000 Personen eingebürgert. Im Vorjahr war die Zahl sogar um einiges höher, weil Nachkommen von NS-Opfern automatisch die Staatsbürgerschaft verliehen worden ist. Das zeugt nicht davon, dass hier zu rigoros vorgegangen wird. Es gibt sicherlich Einzelfälle, bei denen nicht erklärbar ist, warum es ihnen verwehrt wird, Österreicherin oder Österreicher zu werden. In den meisten Fällen läuft dieser Schritt reibungslos ab, auch mit den jetzigen Bedingungen.
Dass unzählige Menschen hier leben, die nicht eingebürgert sind, ist ein schwaches Argument. Den meisten geht es auch ohne rot-weiß-roten Pass gut. Und wenn die Zeit gekommen ist, werden sie die Staatsbürgerschaft erhalten.
Martin Gebhart ist Leiter des Ressorts Chronik im KURIER.
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