PRO
Ganz Deutschland liebte das im Dezember 2006 im Zoologischen Garten Berlin geborene Eisbär-Baby Knut. Von der Mutter nicht angenommen, wurde Knut mit der Flasche aufgezogen. Die Medien nahmen sich des Jungtiers dankbar an, verbreiteten zahllose Bilder und Videos – ganz im Gegensatz zu den restlichen 69 Eisbären, die seit 1980 in deutschen Zoos geboren wurden und medial weitestgehend unbeachtet aufgewachsen sind. Als Knut 2011 mit nur vier Jahren überraschend starb, versetzte dies unser Nachbarland kurzfristig in kollektive Eisbären-Trauer.
Die Liste prominenter Zootiere lässt sich fortsetzen: Wer erinnert sich nicht an Lonely George, das letzte Individuum der mittlerweile ausgestorbenen Galápagos-Riesenschildkröten, der 2012 nach rund 100 Jahren Lebensspanne starb? Oder an die Krake Paul, die als tierisches Orakel die Spiele der Fußball-WM 2010 „voraussagte“?
Und trotzdem: Wildtiere sind, wie der Name schon erahnen lässt, wilde Kreaturen, die nur dann artgerecht leben können, wenn sie vom Menschen möglichst wenig gestört werden. Sie brauchen uns nicht, und wenn wir sie schon einfangen und in Zoos zur Schau stellen – was aus Gründen des Artenschutzes und der Bildung durchaus seine Berechtigung hat –, dann sollten wir sie so sehen, wie sie sind, und nicht versuchen, sie mit „lieben“ Namen zu vermenschlichen. Also: Kein Problem mit Dackel Bello und Kater Schnurrli, aber der Berberlöwe Simba ist nun mal ein Berberlöwe und keine Schmusekatze.
Martin Bernert ist Chronik-Redakteur
CONTRA
Amari heißt eine der Giraffen im Tiergarten Schönbrunn: Das bedeutet übersetzt „die Starke“. Das Tier kämpfte nach seiner Geburt ums Überleben. Als es mit ihr bergauf ging, entschieden sich ihre Pfleger für diesen Namen. Amaris Vater heißt übrigens Obi, was einen Baumarkt dazu motivierte, die Patenschaft für die Giraffe zu übernehmen. Und eine Elefantendame in Schönbrunn wurde Iqhwa genannt, Suaheli für Eis, da der Samen ihres Elefantenvaters gefroren vom Kruger-Nationalpark nach Wien transportiert worden war.
Dass der Zoo Schönbrunn Tiernamen künftig nur noch zurückhaltend kommunizieren möchte, mag aus wissenschaftlicher Sicht gut argumentierbar sein.
Aber: Wir Menschen sind keine nüchtern-rationalen Wesen. Wir lernen gut und gerne mithilfe von Eselsbrücken (verzeihen Sie das tierische Wortspiel): Indem wir uns Zusammenhänge bildhaft und einfach vorstellen. Im Fall der Zootiere sind es oft die Namen, die ihr Schicksal für uns lebendig machen: Wir fühlen mit Amari mit und amüsieren uns über den Namen ihres Vaters. Und ja, das mag zuweilen ein bisschen ein kindisches Vergnügen sein. Aber genau das kann das Interesse an den Tieren und an ihren Lebensräumen wecken.
Zumal konservative Denker, die überall Tugendwächter wittern, dies als spaßbefreites Namensverbot auslegen könnten, frei nach dem Motto: Nicht einmal Tiernamen darf man mehr sagen.
In diesem Sinne: Retten wir Amari, Obi und Iqhwa – die Arten wie auch ihre Namen.
Johanna Kreid ist Chronik-Redakteurin.
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