PRO
Die Dänen haben es schon gemacht, die Franzosen, die Briten, die Schotten, die Deutschen und viele mehr: In allen diesen Ländern wurden Bürgerräte zum Klimaschutz abgehalten. Die nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Mitglieder spiegeln im Kleinen die Gesellschaft des Landes wider, dafür hat bei uns die Statistik Austria gesorgt. Dann kommen die Wissenschafter zum Zug, die den Bürgern eine gemeinsame Faktenbasis geben und darlegen, wie es um die Klimakrise und den Klimaschutz bestellt ist und welche Handlungsoptionen am Tisch liegen.
Der Clou ist: Was trauen wir Bürger uns selbst zu? „Mit dem Klimarat leuchtet die Bevölkerung der Politik den Weg“, heißt es auf dessen Homepage. Denn Bürgerräte haben einige Vorteile: Sie stehen in keinem Wettstreit um Wählerstimmen zueinander, sie handeln im Sinne des Gemeinwohls und nicht in Vertretung von Lobbys, und können so sachorientiert entscheiden.
Es überrascht nicht wirklich, dass die Politik (abgesehen von den Grünen) inzwischen dem Klimarat Legitimation und Kompetenz abspricht. Weil sich abzeichnet, dass die Empfehlungen weitreichend und einschneidend sein werden. Denn anders als der Großteil der Politik haben die Klimaräte die Dringlichkeit für den Klimaschutz wirklich verstanden.
Ist für Klimaschutzmaßnahmen nicht eigentlich der Nationalrat mit seinen gewählten Abgeordneten zuständig? Ja. Die Wahrheit ist aber: Sie tun es seit drei Jahrzehnten nicht, weil die notwendigen Maßnahmen der Bevölkerung angeblich nicht zumutbar sind, wird argumentiert. Deshalb die Klimaräte. Denn während die EU-Staaten im Schnitt schon rund 25 Prozent der Treibhausgase im Vergleich zu 1990 reduziert haben, steht Österreich aktuell bei minus null.
Bernhard Gaul ist Redakteur für Innenpolitik und Klima.
CONTRA
Haben Sie schon vom Klimarat gehört? Nein? Nun, das ist, so böse darf man ausnahmsweise sein, möglicherweise gar kein Fehler. Laut Eigendefinition ist das Regierungsprojekt „eine Art Mini-Österreich“, um Maßnahmen zur Klima-Zukunft zu erarbeiten. Das klingt vernünftig und sympathisch, nur: Wozu das Ganze? Hat die institutionalisierte Politik nicht schon jetzt viele – vielleicht sogar zu viele – Gremien, Ausschüsse und Anhörungsinstitutionen? Was ist mit den Gemeinderäten, den Landtagen, dem Parlament? Sie alle können und sollen Mini-Österreich sein; sie alle können und sollen sich ständig mit den Bürgern austauschen, Expertise sammeln, Lösungen anbieten. Und was ist mit den Bürgern selbst? Können und sollen sie sich nicht aktiv engagieren – zum Beispiel für eine existierende Partei oder als neue Bürgerliste im Gemeinderat?
Jetzt werden Sie einwenden: Ja, aber da passiert ja trotzdem nichts! Die Politik ändert sich nicht, es tut sich nichts!
Selbst wenn das stimmt, bleibt die Frage: Welches Signal schicken die Regierung und „die Politik“ mit einem neuen Gremium namens Klimarat?
Hart gesagt, bleibt eine Botschaft übrig, und die geht so: Liebe Bürger! Wir, also die institutionalisierte Politik, wir kriegen es leider nicht hin, eure Anliegen im bestehenden demokratischen System vorkommen zu lassen. Daran ändern all die Volksbegehren, die Sprechstunden von Abgeordneten und selbst Einrichtungen wie der Petitionsausschuss herzlich wenig. Deshalb setzt euch bitte einige Wochenenden zusammen und diskutiert übers Klima.
Die Ergebnisse des Klimarats werden übrigens nicht verbindlich realisiert, sondern der Regierung präsentiert. Klingt absurd? Ist es auch. Aber Hauptsache es gibt ein neues Gremium.
Christian Böhmer ist Redakteur in der Innenpolitikredaktion.
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