PRO
Staubtrocken und eigentlich doch schon lange tot – mit den Texten von Homer, Cicero und Cäsar locken Lateinlehrer schon lange niemanden mehr hinter dem Handy hervor. Und überhaupt, wozu soll man heute noch eine tote Sprache lernen?
Diese vermeintlich tote Sprache ist in unserer heutigen Zeit aber so lebendig wie schon sehr lange nicht. An Österreichs Schulen ist Latein nach Englisch immerhin die meistgelernte Sprache – und das nicht nur, weil Latein noch immer Voraussetzung für Studienrichtungen wie Medizin und Jus ist. Wer Latein gelernt hat, hantelt sich auch viel leichter durch die meisten indogermanischen Sprachen. Die Bedeutung eines vermeintlich unbekannten Vokabels kann anhand des Wortstamms meist viel leichter abgeleitet werden.
Zugegeben, nicht alle Schüler lassen sich von solchen Aussichten vom Vokabellernen begeistern. Doch im Gegensatz zur Mathematik hat der Latein-Unterricht in den vergangenen Jahren eine massive Auffrischungskur bekommen. Statt uralte Texte zu übersetzen, liegt der Fokus heute darauf, Fremdwörter besser zu verstehen und zu identifizieren.
Der Umgang mit der Sprache, ist anwendungsfreundlicher: So kann man bei der langen Nacht der Antike am Freitag dieser Woche ein lateinisches Kasperltheater und eine römische Modenschau besuchen. Ganz verloren gehen die Texte früherer Gelehrter auch nicht: Schüler erstellten einen animierten Kurzfilm mit Liebestipps von Ovid. Alles andere als staubtrocken.
Laila Docekal Leitung Lebensart
CONTRA
Nur um Missverständnisse zu vermeiden: Latein ist natürlich eine wunderschöne Sprache, mit dem Alter kann man das ja sagen, auch wenn man es als Schüler kaum so empfunden hat. Allzu oft hat’s beim Vokabellernen geklingelt, wenn die Herkunft mancher Worte plötzlich klar wurde, und auch die logische Grammatik, wie Sätze auszusehen haben, war kein Fehler, in der Schule zu studieren.
Ich hatte sechs Jahre Latein, die letzten Jahre mit einem Professor, der in Anlehnung an seinen Namen nur der „Würger“ genannt wurde, mit dem wir aber recht gut klargekommen sind.
Aber sechs Jahre? Und dann nur vier Jahre Französisch dazu, für ein damals Neusprachliches Gymnasium war das doch eher schwach. Vor allem wegen des Arguments, Latein sei einfach eine super Grundlage für alle anderen romanischen Sprachen.
Heute kann ich dem entgegenhalten und ehrlich sagen: Mehr lebendige romanische Sprachen zu erlernen, wäre doch wohl gescheiter gewesen. Spanisch, Italienisch, Portugiesisch. Und heute die Kinder weiter jahrelang eine vorbereitende Sprache zu lehren, nicht aber die tatsächlich gesprochenen Sprachen, ist ja fast schon fahrlässig. Türkisch, Arabisch, Chinesisch, nicht zu vergessen die bei uns gerne ignorierten osteuropäischen Sprachen, Tschechisch, Polnisch, Russisch – wäre das nicht vernünftiger?
Latein muss deshalb ja nicht verschwinden. Aber zwei Jahre intensiv den „Liber Latinus“ durchzuackern , sollte reichen.
Bernhard Gaul Innenpolitik
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