PRO
Endlich. Radfahrer sollen mehr Rechte bekommen und Fußgänger längere Grünphasen, um die Straße zu überqueren. Vielleicht sehen Passanten dann auch weniger Rot. Wer in Wien von Hietzing über die Kennedybrücke nach Penzing will, kann derzeit auf 200 Metern vier Minuten verlieren.
Es war längst Zeit, sich den Bedürfnissen dieser zwei Gruppen zu widmen: Vor allem, wenn Politiker wollen, dass mehr Rad gefahren und zu Fuß gegangen wird. Und das wollen ja die meisten – angeblich. Ziel kann es nur sein, sich klimaschonend, effizient und ohne Angst fortzubewegen.
Beim Thema Sicherheit spielt das Überholen eine große Rolle. Eineinhalb Meter – so viel Platz muss in Zukunft ein Autofahrer zum Radler in der Stadt lassen – sollte eigentlich schon jetzt eine Frage des Anstands sein. Oft wird es aber eng und das ist nicht nur eine Frage der mangelnden Beherrschung, sondern auch eine der Straßen-Infrastruktur. Sie kann mit Realität in den Städten nicht mehr mithalten. Daran scheint auch diese Novelle der Straßenverkehrsordnung nichts zu ändern. Somit kann sie erst der Anfang sein.
So lange Radfahrer und Fußgänger auf gar nicht wenigen Abschnitten einen gemeinsamen Weg benützen müssen, wird es zu Konflikten kommen. Oft gesehen an viel befahrenen und begangenen Stellen in Wien. Das heißt, es muss mehr Platz her. Und zwar auf Kosten der Fahr- und Parkspuren für Autos. Das wird umso dringender, je mehr E-Fortbewegungsmittel wie E-Scooter, E-Pedelecs und E-Bikes unterwegs sind, die ein höheres Tempo auf die Radwege bringen.
Eines muss man bei so vielen verschiedenen Gruppen von wirklich allen Verkehrsteilnehmern, schon jetzt verlangen dürfen: Mehr Disziplin.
Katharina Salzer fährt Rad, Öffi, Auto und geht zu Fuß. Sie ist stv. Leiterin der Sonntagsredaktion.
CONTRA
Radfahrer dürfen gefühlsmäßig ohnehin schon alles. Nebeneinander fahren sie auf der Straße, auf Gehsteigen sowieso und rote Ampeln kennen sie nur vom Wegschauen. Und jetzt sollen sie noch mehr Rechte erhalten. Etwa bei Rot rechts abbiegen oder gegen viele Einbahnen fahren. Was das in der Praxis bedeutet, kann sich jeder leicht ausmalen. Noch viel mehr Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern sind vorprogrammiert. Die Novelle ist realitätsfern und kann nur von jemandem in Auftrag gegeben bzw. entworfen worden sein, der von Autoverkehr prinzipiell nichts hält.
Der künftig größere Abstand zu Radfahrern (auf der Bundesstraße sogar 2 Meter) bedeutet, dass jene, die sich vielleicht zuvor an der roten Ampel an wartenden Autos vorbeigeschlängelt haben, nicht mehr überholt werden können. Das verursacht unnötig Staus.
Während Autofahrer im Falle eines Crashs mit einem Radler kaum verletzt werden, sieht die Lage bei Fußgängern anders aus. Gerade mit Elektrorädern sind relativ hohe Geschwindigkeiten möglich. Die lautlose Gefahr nähert sich rasch und unvermittelt. Hier ziehen Fußgänger dann oft den Kürzeren.
Und was ist mit den Pflichten der Radler? Sie benötigen weder eine Haftpflichtversicherung noch eine Nummerntafel. Nach jedem Delikt können sie sich unbemerkt rasch aus dem Staub machen. Ihre Fähigkeit, Gefahren – auch aus Sicht von Autofahrern – einzuschätzen, ist mangels notwendigem Führerschein vielfach nicht gegeben. Aber die wohl am wenigsten nachvollziehbare Besserstellung gegenüber Autofahrern ist das höhere Alkohollimit von 0,8 Promille (Autofahrer 0,5). Hier darf es im Sinne der Verkehrssicherheit keinerlei Toleranz geben. Die Novelle muss daher zurück an den Start und von der Radfahrer-getriebenen Ideologie befreit werden.
Robert Kleedorfer ist stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft.
Kommentare