Für Wahlkampfgetöse sorgen die Bundesländer. In Niederösterreich, wo nächste Woche Gemeinderatswahlen sind, wird rasch wieder Routine einkehren. Das Land wird auch nach dem kommenden Sonntag schwarz (oder türkis) eingefärbt sein. Im Burgenland könnte die Aufregung nachhallen. Je nachdem, ob es Landeschef Hans Peter Doskozil bei der Landtagswahl gelingt, in der SPÖ wieder einen Funken Hoffnung zu entfachen.
Der Blick richtet sich danach vor allem auf Wien, wo im Herbst gewählt und jetzt schon wahlgekämpft wird. Das belegt die politische Grundstimmung bis hinab in die Bezirke, in denen derzeit fast jedes Projekt der Parteitaktik zum Opfer fällt. Die Parteien rüsten sich.
Die Wien-Wahl könnte ein historisches Ergebnis liefern. Während sich der Bund quasi-großkoalitionär gibt, könnte sich in Wien das exakte Gegenteil einstellen: eine Mehrheit, die zwar farblich jener im Bund ähnelt, sich aber vorbei am Erstplatzierten bildet. Türkis-Grün-Pink lautet das Schreckgespenst der SPÖ, die seit Jahrzehnten ununterbrochen und dementsprechend selbstbewusst regiert.
Zugegeben, die Rechenspiele sind neun Monate vor der Wahl mit Unschärfen behaftet. (Seit dem Ibiza-Video wissen wir, dass sechs Minuten reichen, um die Republik auf den Kopf zu stellen.) Dass Mehrheiten abseits der einst allmächtigen Wiener SPÖ diskutiert werden, sollte Demokraten aller Couleurs dennoch erfreuen. Sogar die Roten.
Sie sind seit 100 Jahren an der Macht (mit Unterbrechung zwischen Februar 1934 und Mai 1945). Da kann sich leichter Mief ansetzen. Im Rathaus durchzulüften, kann keinesfalls schaden. Dass es für die SPÖ erstmals darum geht, ob sie wiedergewählt wird, und nicht nur darum, mit welchem Abstand, wird der Demokratie und den Genossen selbst guttun. Die Wiener SPÖ kann auf viele Errungenschaften verweisen, bald muss sie sich auch ihren Versäumnissen stellen. Die anderen Parteien müssen beweisen, dass sie mehr beherrschen als Oppositionsrhetorik. Weiterentwicklung und Konkurrenz sind heilsam.
Ja, alles ohne Rot wäre absolutes Neuland in Wien. Die SPÖ muss allerdings befürchten, dass die Österreicher experimentierfreudiger geworden sind.
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