Davon ist seit Wochen nichts mehr zu hören. Im Gegenteil. Momentan ist es für österreichische Politiker gerade zu en vogue, mit Präsident Erdoğan Kontakt zu haben oder gar in die Türkei zu reisen. Kanzler Karl Nehammer und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) haben den türkischen Machthaber direkt getroffen, Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat nach einem Telefonat von den positiven Entwicklungen in den bilateralen Beziehungen gesprochen. Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat Erdoğan besucht. Und die ÖVP-Minister Alexander Schallenberg und Gerhard Karner führten am Montag mit ihren Amtskollegen Gespräche in der Türkei. Auffallend war dabei der freundschaftliche Ton.
Doch was hat den Autokraten am Bosporus für die Österreicher wieder politisch sexy gemacht? Erdoğan hat sich ja nicht geändert. Die Menschenrechte und vor allem die Rechte der Frauen werden weiterhin mit Füßen getreten, die Meinungs- und Pressefreiheit bleibt stark eingeschränkt.
Geändert hat sich, dass Erdoğan wegen des Ukrainekrieges weltpolitisch ein wichtiger Faktor geworden ist. Sein Istanbuler Prozess ist momentan das einzige Fenster zu Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Für die österreichische Regierung war das der Anlass, um das bilaterale Verhältnis auf pragmatischere Füße zu stellen. Neben der Erneuerung der Ephesos-Lizenz hat die Türkei daraufhin den Widerstand gegen die Teilnahme unseres Heeres an der NATO-Partnerschaft für den Frieden aufgegeben. Auch die Wirtschaft freut sich über das Ende der politischen Eiszeit.
Es ist ein gefährliches Spiel, weil Erdoğan nicht berechenbar ist. Derzeit braucht er die Fotos mit ausländischen Politikern, um von der großen wirtschaftlichen Krise und der Schwäche seiner Partei AKP abzulenken. Er braucht aber die Stimmen jener Türken, die in Österreich leben, wenn er sich 2023 der Wiederwahl stellt. Und er wird es sich nicht nehmen lassen, dafür den Wahlkampf auch zu uns zu tragen. Dass dann die Töne noch immer so freundschaftlich sein werden, ist eher nicht anzunehmen.
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