Patriotismus hört sich beim Geld auf

Profilbilder NEU
Ein Erfolgskonzept von Amazon kann man nicht an einem Nachmittag nachstricken. Schon gar nicht ohne Millionenbeträge
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Der Onlinehandel boomt. Das ist großartig. Leider nicht für Österreichs Händler, an denen das Geschäft vorbeifließt wie die Donau an Wien. Das große Geschäft machen die anderen. Sie sitzen in Seattle, Hangzhou oder Berlin. Heißen Amazon, Alibaba oder Zalando. Zu den Machtverhältnissen: Die zehn größten Webshops in Österreich setzen hierzulande zusammengenommen rund 1,6 Milliarden Euro um. Also etwa gleich viel, wie all ihre Konkurrenten auf den Rängen 11 bis 250 gemeinsam.

Kein Zufall. Schließlich kann man das Erfolgskonzept von Amazon nicht an einem Sonntagnachmittag nachstricken. Schon gar nicht ohne ein paar Millionen Spielgeld in petto. Für den Aufbau des Geschäfts und für dessen Bewerbung. Schließlich hilft die beste Webseite der Welt wenig, wenn sie niemand findet. Und Top-Platzierungen bei Suchmaschinen gibt es nun einmal nicht zum Nulltarif. Dass Amazon eine gefühlte Ewigkeit kein Geld verdient hat, ist mittlerweile legendär. Dasselbe gilt für Zalando. Und obendrein schaffen es selbst Branchenriesen wie der japanische Rakuten-Konzern, beim Aufrollen neuer Märkte einen formidablen Bauchfleck hinzulegen. Etwa in Österreich, aus dessen Online-Markt sich die Japaner nach drei verlustreichen Jahren wieder zurückgezogen haben.

Jetzt kommt also ein neues „Kaufhaus Österreich“. Die Aufregung in den Führungsgremien von Amazon wird sich in engen Grenzen halten. Fragt man Handelsexperten nach ihren Erwartungen an das Projekt, kommt meist nur ein ratloses Schulterzucken. Niemand wisse, worum genau es geht, heißt es in normalerweise gut informierten Kreisen. Man sei zu keinem Runden Tisch eingeladen worden. Nicht gerade die ideale Voraussetzung, um die Branche hinter sich zu versammeln.

Speziell dann, wenn viele Händler bereits viel Geld in ihre eigenen Webshops gesteckt haben und jetzt eine staatlich finanzierte Konkurrenzveranstaltung fürchten. Oder ein Leuchtturmprojekt, das den Namen vor allem deshalb verdient, weil dort im großen Stil (Steuer-)Geld verbrannt wird.

Corona hat dazu geführt, dass mehr im Online-Handel gekauft wurde. Das ist unbestritten. Wer die vergangenen Wochen im Homeoffice verbracht hat und gefühlte Tonnen von Amazon-Paketen der Nachbarn entgegengenommen hat, wird entsprechende Studien bestätigen. Gleichzeitig geben sich die Österreicher in Coronazeiten besonders patriotisch. Sie geloben, künftig vor allem bei Händlern aus der Region oder zumindest aus dem eigenen Land einzukaufen. Ein Versprechen, das schnell vergessen wird. Dann, wenn es jenseits der Grenzen ein günstigeres Angebot gibt. Der Patriotismus endet erfahrungsgemäß beim eigenen Geldbörsel.

Kommentare