Patriotismus endet beim Börserl

Streiten sich zwei, freut sich der Dritte. Während debattiert wird, wer wann öffnet, fließt Geld in ausländische Webshops ab
Simone Hoepke

Simone Hoepke

Eines ist in der Corona-Krise evident: „Den Handel“ gibt es nicht.

Die Handelslandschaft besteht vielmehr aus zahlreichen Sparten, die oft um ein und denselben Umsatzkuchen raufen. Mit harten Bandagen. Selbst Privatdetektive werden engagiert, um zu zeigen, dass die Konkurrenz verkauft, obwohl sie das doch eigentlich nicht dürfte. Sprich: der Mitbewerber Geld verdient, während die eigene Kassa leer bleibt.

Die Nerven liegen blank.

Kein Wunder, geht es doch für viele ums Überleben. Die Ware stapelt sich im Lager, die Mahnungen der Lieferanten liegen am Schreibtisch, und die Mietkosten laufen weiter, während die Einnahmen auf der Nulllinie verharren und der Überbrückungskredit noch nicht genehmigt ist. Das halten nur die wenigsten über Wochen hinweg durch.

Dazu kommt, dass die Karwoche bei einigen – wie Spielwarenhändlern – eine der umsatzstärksten Zeiten des Jahres ist. Die Erlaubnis, nach Ostern aufzusperren, klingt da wie ein Hohn. Für viele wäre es schon ein Segen gewesen, hätten sie in der Karwoche zumindest online oder per Telefon georderte Ware vor dem Geschäft zum Abholen bereitstellen dürfen – so wie es Gastronomen auch tun. Und zwar offiziell (inoffiziell tun es einige Händler eh auch).

Überhaupt gilt für jeden etwas anderes. Gartencenter-Betreiber sehen nicht ein, warum Tonnen von Blumenerde und Pflanzen im Lebensmittelhandel verkauft werden dürfen, während ihr eigener Markt bis nach Ostern zappenduster bleiben muss. Möbelhändler sind brüskiert, weil ausgerechnet ihre Großflächen bis Ende des Monats geschlossen bleiben müssen, während vor kleinen Geschäften Kunden schon ab 14. April Schlange stehen dürfen. Parallel dazu befürchten Gewerkschafter, dass Angestellte nicht mehr wissen, ob sie zur Arbeit erscheinen müssen. Weil nicht klar ist, ob große Geschäfte 400 ihrer Quadratmeter absperren und damit öffnen dürfen.

In all dem Gezänk geht fast unter, dass jemand ein immer größeres Stück vom Umsatzkuchen abschneidet: der Onlinehandel aus dem Ausland, der sich statistisch gesehen jeden zweiten Euro im Webhandel holt. Die Konkurrenz ist schnell, professionell, up to date. Ein Beispiel: Bei Zalando werden täglich rund 1.000 Kleidungsstücke aus sieben Perspektiven fotografiert. Mehr als 100 Mitarbeiter sind damit beschäftigt, das Angebot zu aktualisieren. Wie eine kleine Boutique da mithalten soll, ist ein ungelöstes Rätsel. Auch wenn die Regierung jetzt mit Reimen wie „Kauft lokal, das geht auch digital“ eilig hochgezogene Plattformen für heimische Händler bewirbt.

Der Patriotismus endet erfahrungsgemäß beim Geldbörserl. Spätestens nach der Krise.

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