Verschwundener Goldschatz

Luis Fernando Ramos

Luis Fernando Ramos

Die Bilanz Brasiliens ist enttäuschend. Das riesige Veranstalterland und sein gespaltenes Verhältnis zu Olympia.

von Luis Fernando Ramos

über Olympia-Gastgeber

Nach zehn Olympia-Tagen hat Brasilien gerade sechs Medaillen gewonnen, davon eine goldene, und besetzt damit nur den 28. Platz des Medaillenspiegels.

Klarerweise schafften die Großmächte des Sports wie die USA (zuletzt 1996) und China (2008) eine ausgezeichnete Bilanz bei ihren Heim-Spielen. Aber selbst Spanien (1992/ 6. Platz) und Griechenland (2004/ 15.) konnten einst einen starken Eindruck hinterlassen.

Warum schafft ein Land mit fast 200 Millionen Einwohnern nicht mehr? Brasiliens Problem ist – wie immer – die Korruption. Der Großteil des für die Trainingsprogramme der Athleten vorgesehenen Budgets verschwand, ohne dass es jemals bei den Sportlern ankam. Sportarten mit relativ hohen Investitionen wie etwa Schwimmen brachten keine Medaille. Judo zeigte sich als einzige Ausnahme. In dieser Sportart gewann Brasilien drei Medaillen: ein Mal Gold und zwei Mal Bronze. Ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis, auch wenn die Judoka 2012 in London sogar vier Medaillen ergattern konnten.

Doch die Wahrheit ist, dass sich Brasilien nie wirklich für die olympischen Disziplinen interessiert hat. Die Freude über eine Medaille währt nur kurz, ehe der Athlet oder die Athletin wieder in Vergessenheit gerät und kaum unterstützt wird.

Niederlagen dagegen werden nicht akzeptiert. In London scheiterte Judoka Rafaela Silva in der Vorrunde und war daraufhin das Ziel rassistischer Entgleisungen in den sozialen Medien. Kurz danach war sie wieder vergessen.

Ohne viel Unterstützung trainierte sie wie eine Besessene und schaffte in Rio de Janeiro den Sprung auf Platz eins. Es war die einzige Goldmedaille Brasiliens in der ersten Woche. Dieselben, die sie vorher beschimpft hatten, applaudierten nun und nannten sie "unsere Rafaela".

Nach diesen Spielen ist die Gefahr groß, dass sie als Olympionikin vergessen und nur noch als schwarze, arme und auch noch homosexuelle Frau wahrgenommen wird. Damit steht sie wieder auf der untersten Stufe der brasilianischen Gesellschaft.

Eigentlich liegt der Fokus der heimischen Fans nur auf einer einzigen Medaille: der bisher unerreichten Goldenen im männlichen Fußball. Anfangs hat der zögerliche Start von Neymars Team eine Lawine an Kritik verursacht. Nach dem Einzug ins Halbfinale sind die Brasilianer versöhnt und hoffen auf Gold.

Wer war diese Rafaela noch gleich?

Luis Fernando Ramos aus São Paulo ist freier Journalist, er lebt in Wien und im Burgenland.

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