Die Brasilianer suchen ihr Selbstvertrauen
Krisen in Politik und Wirtschaft sowie die Fußball-WM haben dem Land zugesetzt.
Für alle, die nicht aus Brasilien sind, zeigte die Eröffnungszeremonie am letzten Freitag ein schönes, fröhliches Fest mit einer wichtigen Botschaft zum Klimawandel. Für die Brasilianer war es mehr als das: Es war eine Wiederentdeckung des eigenen Selbstbewusstseins.
Dazu muss man verstehen, dass sich Brasilien seit 2009, als Rio zum Austragungsort der Olympischen Spiele gewählt wurde, komplett verändert hat. Damals blühte die Wirtschaft, die Armut schien zu sinken, und mit dem Zuschlag für Fußball-WM und Olympia war der Nationalstolz, ein wichtiger Charakterzug der Brasilianer, enorm.
Doch in den letzten Jahren führten Korruptionsskandale unglaublichen Ausmaßes zu einem Vertrauensverlust in die Politik. Dazu verschlechterte sich die Lebensqualität durch die beginnende Wirtschaftskrise. Blieb nur noch der Fußball, aber die Seleção vernichtete den letzten Rest des Nationalstolzes durch die unfassbare Niederlage von 1:7 gegen Deutschland bei der Heim-WM.
Voller Enttäuschung bereitete sich der Bevölkerung auf die Olympischen Spiele vor. Das Chaos bei der Organisation, besonders beim Bau des Olympischen Dorfs, schien die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Die Angst war groß, dass sich Brasilien im Ausland wieder blamiert.
Die nun für die Eröffnungszeremonie verantwortliche Gruppe, angeführt von Filmregisseur Fernando Meirelles und der Choreographin Débora Colker, hatte allerdings einen Trumpf in der Hand: den Reichtum der brasilianischen Kultur, besonders ihrer Musik.
Sound der Sklaven
Der Rhythmus von Samba, Bossa Nova und auch des modernen Funk der Favelas in Rio hat seinen Ursprung in der Musik afrikanischer Sklaven, die in der Stadt gelebt haben.
Diese Rhythmen haben sich über Jahrhunderte entwickelt und sind heute die Säule des größten Festes der Welt, des brasilianischen Karnevals. Im Maracanã-Stadion wurde die Kulturgeschichte des Landes durch die Werke der wichtigsten Musiker Brasiliens erzählt: Ary Barroso, Tom Jobim, Chico Buarque und vieler anderer.
Auf den Tribünen oder zu Hause sangen die Brasilianer laut mit, lachten und fühlten sich endlich wieder stolz auf ihr eigenes Land.
Alle wissen, dass die Olympischen Spiele nicht die erwünschten Verbesserungen in der Infrastruktur der Stadt bringen werden. Zumindest die Wiederentdeckung des eigenen Selbstbewusstseins durch die Kultur könnte aber ein Vermächtnis dieser einmaligen Sportveranstaltung sein.
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