Oben ohne
Außerhalb Roms hat die "Klobürste" mehr Fans als zu Hause.
Christbaumbeauftragte sind nicht zu beneiden. Weder die städtischen noch jene in den privaten Haushalten.
Der römische Christbaumbeauftragte ist vermutlich unbekannt verzogen. Das Volk ist aufgebracht. Die Römer finden, dass ihr sterbender Baum ausschaut wie eine Klobürste. Ein schäbiges Gerippe, eine Lachnummer.
Nicht nur Politiker, die gerne Bäume umarmen, würden am liebsten nach Rom fahren und die Fichte trösten. Ihr zuflüstern, dass der Prophet im eigenen Land nichts wert ist. Gilt offenbar für Politiker wie Christbäume. Außerhalb Roms hat die "Klobürste" nämlich mehr Fans als zu Hause Äste. In den sozialen Netzwerken ist der Baum ein Star, da kann sich der Angeber-Baum der schrulligen Trump-Family im Weißen Haus verstecken.
Bei uns zu Hause gibt es traditionell eher das Modell "Rom" als die Variante "Washington".
Liegt daran, dass der Christbaumbeauftragte das ganze Jahr über eine "Leben-und-leben-lassen"-Philosophie vertritt. Zu Weihnachten ist diese bei meinem Vater besonders ausgeprägt. Folglich schneidet er im Wald nur Bäume um, die sowieso nicht überlebt hätten. Also jene, die zu wenig Licht und Platz haben. Und daher kaum Äste und noch weniger Nadeln. Nadelnde Mängelexemplare also.
Tricks, wie Stamm anbohren und fremde Äste reinstecken, um noch was zu retten, funktionieren nicht. Beim Modell "Waldsterben" ist der Stamm meist dünner als jeder verfügbare Ast.
Ein Verwandter hat dagegen ein Prachtexemplar gekauft und dabei das Soll übererfüllt. Der Baum war zu groß, passte nicht ins Wohnzimmer. "Oben zu lang", wie seine Frau lästerte. Nichts für Baumbeauftragte mit schwachem Nervenkostüm und Hang zu trotzigen Affekthandlungen. Er hat den Baum gekürzt. Oben. Die Spitze abgeschnitten. Weil sie gesagt hat, dass der Baum "oben" zu lang ist.
Manch einer wünscht sich beim Familientreffen die Nächstenliebe von Papst Franziskus. Er mag sicher jeden Baum. Heuer hat er einen aus Polen, der bei einem Blitzschlag die Spitze verloren haben soll.
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