Noch 1700 Tage zählen
Andreas Khol, tragende Säule von Schwarz-Blau, brachte es im Sonntag-KURIER auf dem Punkt. „Sebastian Kurz hat es viel leichter als Wolfgang Schüssel.“ Und das nicht zu knapp: Statt Sanktionen aus Brüssel gab es Einladungen nach Paris und Berlin. Die Wirtschaft brummt nach zehn Jahren Krise wie nie zuvor. Der berüchtigten bürgerlichen Intrige hat er viel an Nährboden entzogen: „So einen geeinten ÖVP-Klub, wie ihn Kurz hat, hatte ich nicht“, resümiert Khol: „Wobei man sagen muss, dass ein Drittel der Abgeordneten auf dem Rockschoß von Kurz ins Parlament kam.“
100 Tage Türkis-Blau stehen primär für einen neuen Stil. Gestritten wird, frei nach Michael Häupl, nicht mehr am Balkon, sondern im Wohnzimmer. Kommuniziert wird nur noch auf Kommando. Inhaltlich fällt die Bilanz nicht so eindeutig aus. Die Süddeutsche Zeitung bilanziert die ersten 100 Tage Kurz-Strache mit dem distanzierten Blick das unabhängigen Beobachters aus dem Nachbarland: „Mehr Schein als Sein: Neben großen Worten eher kleine Taten.“ So hält etwa das Selbstlob auf eine radikale Trendwende beim Budget („Erstmals seit 1954...“) dem kritischen zweiten Blick nicht stand. Der für 2019 angekündigte Budgetüberschuss ist respektabel. Standing Ovations bleiben noch ausstehenden nachhaltigen Reformen bei Pensionen, Gesundheit und Pflege vorbehalten.
Wer wenn nicht ein Zoon politikon wie Kurz weiß am besten: Gewählt werden Politiker nicht wegen eines noch so tollen Budgets; nicht einmal wegen spürbarer Wohltaten wie dem Familienbonus. Die sind bald selbstverständlich. Politiker leben vom Grund-Vertrauen, das sie erfolgreich wecken. 2017 war es Kurz’ Mantra in der Flüchtlingspolitik. Welche Botschaft in 1700 Tagen, wenn die nächste Wahl ansteht, den meisten Erfolg verspricht, kann auch der neue türkise Messias noch nicht wissen.
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