Mutterbild – erschaffen von Handel und Politik

Martina Salomon
Was braucht es, damit die Mittelschicht Mut zu Kindern hat? Geld jedenfalls ist kein Allheilmittel. Gedanken zum Muttertag.

Wer braucht den Muttertag? Natürlich der Handel: Die Shoppingtour für Mütter bringt 185 Millionen Euro Umsatz. Die Floristen empfehlen heuer: „Liebliche Harmonie mit Charme“. In der Politik ist diese Harmonie jedenfalls nicht angekommen. Ex-Ministerin Heinisch-Hosek listete „acht schwarz-blaue Ungerechtigkeiten“ für Mütter auf. Wirtschafts- und Arbeiterkammer setzen anlässlich des Muttertags auf flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen, ansonsten scheiden sich die Geister. Bei all den politischen Auseinandersetzungen wünscht man sich insgeheim, dass die „Detox-Spezialmassage“, die die Therme Wien gerade für Mütter anbietet, auch in der Politik Wirkung zeigen möge. Aber was brauchen Mütter (und Väter!) wirklich? Das variiert je nach sozialer Schicht und Zugehörigkeit zu (patriarchalischen) Kulturkreisen.

Gut gebildeten Menschen fehlt oft der Mut zu Kindern. Nie passen sie ins Leben: Ausbildung, Berufseinstieg, Karriere, Reisen, Wohnungskauf, Angst vor Einschränkungen, kein passender Partner verhindern Nachwuchs. Kinder = Problem: So sieht die Gleichung für gebildetere Frauen leider oft aus. Was wohl auch an den politischen Debatten der vergangenen Jahrzehnte lag. Alles wurde verteufelt: (länger) beim Kind bleiben, Teilzeit arbeiten, „nur“ ein Einzelkind oder zu viele Kinder zu kriegen.

Ausgerechnet in prekären Lebenslagen werden Kinder viel weniger problematisiert. Das heimische Wohlfahrtssystem fördert dies: Nirgendwo bekommen kinderreiche Familien mehr Geld, wenn man die Summe aus Familien- und Sozialleistungen zusammenzählt. Und während in den meisten Staaten die Kinderbeihilfe mit 18 endet, zahlen wir sie noch Jahre darüber hinaus.

Sach- statt Geldleistung

Es wäre daher schon sehr lange an der Zeit, von Geld- auf Sachleistungen umzustellen. (Dann wäre Österreich auch für arme, schlecht gebildete Zuwandererfamilien weniger interessant.) Die Regierung setzte mit dem neuen steuerlichen Familienbonus aber ebenfalls auf mehr Geld – und alle Parteien fordern immer noch mehr Kindergartenbetreuung. Doch in Wahrheit ist die Schule das größere Problem: weil sie oft nur halbtags stattfindet, sich auf die Eltern verlässt und endlos lange Ferien hat.

Im Grunde ist es ganz einfach (für die Politik aber schwierig zu ändern): Wenn die „Peer Group“, also die gleichgesinnten Gleichaltrigen, viele oder wenig Kinder bekommen, dann hält man es meist so ähnlich. Alles andere ist eher zweitrangig.

Auf den Muttertagskult können moderne Frauen verzichten. Er entspringt einerseits der Konsumgesellschaft, andererseits einer antiquierten Sicht auf die Mütter: Sie sollen mal „haushaltsfrei“ haben und ins Gasthaus ausgeführt werden, als ob sich Frauen das nicht selbst leisten und gönnen könnten. Weil das alle gleichzeitig tun, gibt es dann – wieder – Familienstress.

Wann erleben wir wieder ganz unsentimental, dafür aber ehrlich die Familie als den Ort, der Halt und Sinn im Leben geben sollte? Nicht nur an einem Sonntag, sondern täglich.

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