Das andere Gesicht des Antisemitismus

Wenn es um Israel geht, dann hat Österreich eine sehr eindeutige Position. Eindeutiger als Deutschland. In der UN-Vollversammlung stimmte man gegen eine Resolution für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen, weil in dem Text die Terrororganisation Hamas nicht beim Namen genannt worden ist. Unsere deutschen Nachbarn enthielten sich bloß der Stimme.
Genauso wie man sich jetzt deutlicher als manch anderer EU-Staat an die Seite von Israel gestellt hat, genauso konsequent wird seit Jahren der Kampf gegen den Antisemitismus geführt. Der Startschuss dazu war wohl 1993 vom damaligen SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky in der Hebräischen Universität Jerusalem gesetzt worden, als er im Namen der Republik die Opfer von österreichischen Tätern um Verzeihung bat.
Mittlerweile gibt es eine nationale Antisemitismus-Strategie, seit 2018 einen ständigen Antisemitismus-Bericht und gezielte Schulexkursionen in das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen, um nur einige Beispiele zu nennen. In diesem Bereich kann man dem offiziellen Österreich keinerlei Vorwürfe machen. Das wird von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) genauso anerkannt wie vom Staat Israel.
Und doch haben die aktuellen Pro-Palästina-Demos verbunden mit antiisraelischen Parolen jetzt aufgezeigt, dass diese Strategie Schwächen hat.
Zu sehr hat man sich bisher nur auf den Antisemitismus im rechten Eck konzentriert. Aus der Historie heraus auch verständlich. Dass sich in den türkischen und arabischen Communitys diese Haltung viel radikaler manifestiert hat, konnte man zwar aus den regelmäßigen Antisemitismus-Reports des Parlaments ablesen, in den Integrationsbemühungen ist es aber noch nicht so richtig aufgeschlagen. Da müssen die Bemühungen sicherlich verstärkt werden, auch wenn der Zugang zu diesen Gruppen äußerst schwierig ist. Vor allem dann, wenn bei diesem Thema auch noch der Islam mit ins Spiel kommt. Zusätzlich wird man da jetzt genau beobachten müssen, ob nicht die Anti-Israel-Kritik und die Pro-Hamas-Ansagen von Recep Tayyip Erdoğan von Ankara nach Wien überschwappen und so Öl ins Feuer gegossen wird.
Was in dieser Situation dennoch Zuversicht verleiht, ist das grundsätzlich gute Klima zwischen den Religionen in Österreich. So hat sogar IKG-Präsident Oskar Deutsch in der ORF-Pressestunde darauf verwiesen, dass die Muslime insgesamt trotz der Anspannung derzeit in Österreich "relativ besonnen" agieren würden. Das sei auch der Verdienst der Islamischen Glaubensgemeinschaft IGGÖ, die beruhigend unterwegs sei. Deswegen ist es für das Klima in Österreich weiterhin entscheidend, dass trotz der Pro-Israel-Haltung der Regierung die Gespräche mit der IGGÖ auf keinen Fall abreißen.

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