Was man alles nicht sehen soll

Was man alles nicht sehen soll
Das Mullah-Regime im Iran macht gerne vieles unsichtbar: Von küssenden Menschen über Fußballstars bis hin zu Regenbögen.
Laila Docekal

Laila Docekal

Vor einigen Jahren hatte ich Besuch von einer sehr gläubigen Cousine, die sogar freiwillige Kopftuchträgerin ist. Sie gehört zur ersten Generation, die unter dem Mullah-Regime aufgewachsen ist. Aber sie respektiert meinen Lebensstil und ich ihren. Ich zeigte ihr ein paar Sehenswürdigkeiten, und so landeten wir abends auf dem Kahlenberg, um die Aussicht auf Wien zu genießen.

„Können wir bitte gehen, da machen ein paar Menschen schlimme Sachen“, sagte sie plötzlich. Ich sah mich um und entdeckte ein Paar, das wild knutschte. Ich verstand, dass sie damit überfordert war, und wir zogen weiter.

Aktuell gibt es viel mehr, das die Iraner nicht sehen sollen. Graffitis, die „Tod dem Diktator“ fordern und Widerstand ausdrücken, werden seit Monaten innerhalb von 24 Stunden übermalt. Sprayer, die in flagranti erwischt wurden, sind tot.

Bis vor Kurzem galt der Ex-Fußballer Ali Karimi, der mit dem FC Bayern Deutscher Meister wurde und 2004 zu Asiens Fußballer des Jahres gewählt worden war, als Nationalheld. Es gab sogar Duschgel mit seinem Abbild darauf. Wegen seines Engagements gegen das Regime wird sein Gesicht auf den Tuben übermalt.

Im Zuge der Angriffe auf Demonstranten wurde der zehnjährige Kian Pirfalak erschossen. In einem Video, das viral ging, schickt er ein selbst gebautes Boot los und sagt: „Im Namen des Regenbogengottes ...“ Seither steht der Regenbogen im Iran für das Andenken an ihn – und den Widerstand gegen die Mullahs. Nun soll man keine Regenbögen mehr an Hauswänden sehen, sie werden übermalt.

Wer glaubt, dass es bei dem Freiheitskampf nur um das Kopftuch geht, verkennt die Lage. Es geht auch um die Freiheit, bewundern zu dürfen, wen man will. Egal, ob es Allah ist, ein Fußball-Star oder der Regenbogengott.

laila.docekal@kurier.at

Kommentare