Eine Umarmung ist keine Kamikaze-Aktion
Wir begrüßen uns mit der vermurksten Gettofaust, vermurkst deshalb, weil ist ja eigentlich sehr schräg: Wir alle um die 40 und dann so was. Drucksen komisch herum, weil Händeschütteln und Umarmen sind ja abgeschrieben. Bussi links und rechts kommt sowieso direkt aus der Corona-Hölle. Niemand weiß genau, wie das denn derzeit funktioniert: das Begrüßen und Verabschieden.
In größeren Runden wirft man einen verhunzten Winker in den Kreis, grinst verschämt und hofft, dass eh gleich alle weiterreden. „Bin getestet, genesen, geimpft, und übrigens hallo, mein Name ist Hase!“. Dass wir mittlerweile den 3-G-Status vor unserer Grußformel nennen, ist ein riesengroßer Witz. Den ich selber beizeiten erzähle, einfach, weil die Unsicherheit groß ist.
Menschliches Grundbedürfnis
Wahrscheinlich können wir uns alle wieder ein bisschen entspannen, Druck ablassen und unserem Bauchgefühl folgen: Menschen, mit denen wir regelmäßig Umgang haben, über deren Gesundheitszustand wir Bescheid wissen, können ruhig mal nach Herzenslust gedrückt werden. Vorausgesetzt, sie wollen das auch. Was man mit ein bisschen G’spür relativ schnell bemerkt. Eine Umarmung ist keine Kamikaze-Aktion, kein Ticket direkt auf die Intensivstation. Berührung und Nähe gehören zu unseren menschlichen Grundbedürfnissen, sind quasi überlebenswichtig.
Diese Woche verbrachte ich einen sehr berührenden Vormittag im Hospiz. Eine sterbenskranke Frau, körperlich immens geschwächt, antwortete auf die Frage, ob sie denn etwas vermisse: „Ja, das Knuddeln vermisse ich, eine richtige Umarmung ist so wichtig!“.
Niemand muss, aber alle die wollen, sollen dürfen. Und zwar ohne Barrieren und ohne schlechtes Gewissen.
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