Besser spät als nie ein bisschen Harmonie
Unser Gehirn ist ja meist gnädig und speichert bevorzugt schöne Erinnerungen. Unangenehme Erlebnisse werden im Dunkeln des Unterbewusstseins begraben und dümpeln dort vor sich hin. Deswegen bin ich mir nicht sicher, in welchem Ausmaß ich die Beziehung zu meinem Bruder glorifiziere. Fakt ist, dass ich mich nur an wenige, harmlose Streitereien in unserer Kindheit erinnern kann. Sonst waren wir friedlich oder gingen uns aus dem Weg – zwei akzeptable Konzepte.
Deswegen bin ich ehrlich erstaunt, wie spinnefeind sich unsere älteste und unsere mittlere Tochter oft sind. Schaut die eine am Frühstückstisch schief, ist für die andere der Tag schon gelaufen. Konflikte werden verbal und physisch ausgetragen, und zwar so, dass am Ende immer eine heult. Meistens aber beide. Was ich besonders krass finde, ist der Neid auf alles, was die andere hat oder bekommt. Wir sprechen hier von Erste-Welt-Kindern, die definitiv auf der Butterseite des Lebens gelandet sind und trotzdem das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Aber nur in Bezug auf die eigene Schwester. Was andere Kinder kaufen, haben, erleben, machen, ist alles fein. Aber wehe, die fiese Liese (aktueller Kosename) staubt irgendwo einen Keks mehr ab. Das ist so gemein und ungerecht!
Alle in trauter Eintracht
Umso lieber höre ich Schilderungen von reflektierten Erwachsenen, die mir genau solche Szenen aus ihrer eigenen Kindheit schildern. Und mir versichern, dass sich jetzt Jahrzehnte später alle innig lieben und in trauter Eintracht Zeit verbringen.
Wir haben also 20 Jahre Streit geschlichtet, Tränen getrocknet und uns die Seele aus dem Leib geredet, nur damit sich alle mögen, sobald sie ausziehen? Echt jetzt? Aber besser spät als nie – ein bisschen Harmonie.
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